Mikwe in Mitwitz, Landkreis Kronach, Oberfranken
"Zapfenhaus soll erhalten bleiben"
www.infranken.de vom 3. September 2017 von Heike Schülein:
"Die Mikwe im "Zapfenhaus" gilt als bedeutendes Zeugnis jüdischen Lebens in der Region. Für den Erhalt dieses Denkmals macht sich ein Freundeskreis stark.
Christian Porzelt wusste viel Interessantes über das Gebäude, seine Mikwe wie auch über das jüdische Leben allgemein in Mitwitz zu erzählen.
Schon beim Eintreten in das "Zapfenhaus" wird man von Ehrfurcht ergriffen: Ehrfurcht vor der dichten Atmosphäre dieses altehrwürdigen Gebäudes und Ehrfurcht vor dessen so wechselvoller Geschichte. Erbaut 1730 von Sebastian Grempel, sind die fast 300 Jahre am Anwesen nicht spurlos vorübergegangen. Das große, ehemals stattliche Haus "Am Grünen Tal 10" ist dringend sanierungsbedürftig. Am Samstag machten sich nun - auf Einladung des "Freundeskreis Zapfenhaus" - erfreulich viele Besucher selbst ein Bild von dem Gebäude, das eine echte Kostbarkeit in sich birgt: eines von zwei erhaltenen rituellen jüdischen Tauchbädern im Landkreis Kronach, auf Hebräisch "Mikwe".
Christian Porzelt, der sich in seinem Studium schwerpunktmäßig mit jüdischer Geschichte beschäftigt hat, wusste viel Interessantes über das mittlerweile unter Denkmalschutz stehende Haus, seine Mikwe wie auch über das jüdische Leben in Mitwitz allgemein zu berichten. Das "Zapfenhaus" steht noch weitgehend in seinem ursprünglichen Zustand. Die Mikwe befindet sich im tonnengewölbten - in der Höhe wie Breite 1,80 Meter großen - Sandsteinkeller, in den man durch einen Vorraum gelangt. "Die rituelle Reinigung erlangte man nur durch völliges Untertauchen", informierte Porzelt. In der Nordwest-Ecke befindet sich das Tauchbecken mit einer Tiefe von 1,40 Meter. Um unterzutauchen, habe man also in die Hocke gehen müssen. Sieben Steinstufen führen in das Tauchbecken hinab, das heute noch mit klarem Wasser - gespeist aus einer Quelle im Wald - gefüllt ist.
Nur "lebendiges" Wasser
"Vorschrift war hierbei, dass im Tauchbecken nur lebendiges Wasser - also Grundwasser von Flüssen und Bächen - beziehungsweise Regenwasser genommen werden durfte", betonte Porzelt. Nachdem der Ritualbad-Erlass der Bayerischen Regierung unbeheiztes Kellertauchen verbot, wurde ab 1828 auch in Mitwitz der Neubau einer Mikwe nötig. So entstand in einiger Entfernung zum Haus auf einem von der jüdischen Gemeinde gekauften Grundstück ein kleiner quadratischer Bau, in dem eine neue Mikwe eingerichtet wurde. Diese blieb etwa 30 Jahre in Gebrauch, bis 1862 der Schneidermeister Johann Zapf das Grundstück kaufte. 1872 wurde dieses abgerissen. Der Schneidermeister war auch "Namensgeber" für das "Zapfenhaus", das ab 1850 ebenfalls in seinem Eigentum stand.
Mit dem Erhalt des "Zapfenhauses" beschäftigt sich auch der Marktgemeinderat Mitwitz. Laut Bürgermeister Hans-Peter Laschka wurde dessen Erhalt mit Mikwe in das Nordostbayerische Förderprogramm aufgenommen. "Lange Zeit war uns in Mitwitz nicht bewusst, was wir hier für eine Kostbarkeit haben", bekundete der Bürgermeister. So sei die Mitwitzer Mikwe als eine von ganz wenigen der erhaltenen Tauchbäder noch voll funktionsfähig. Viele fachkundige Besucher hätten sich begeistert angesichts dieses Zeugnisses jüdischen Lebens gezeigt.
Die Gemeinde würde am liebsten das komplette Gebäude renovieren. Im unteren Bereich könnten Schauräume für die Besucher entstehen, im oberen eine Mietwohnung. Ob dies möglich sei, werde eine Machbarkeitsstudie zeigen. Das Minimalziel sei der Erhalt der Mikwe mit Renovierung des unteren Bereichs und der Einrichtung von Schauräumen für Besucher.
Sehr erfreut über das Interesse am Sommerfest zeigte sich die Vorsitzende des Aktionskreises Kronacher Synagoge, Odette Eisenträger-Sarter. Sie organisierte das Fest zusammen mit Porzelt sowie Dr. Matthias Rudolph und Dr. Heinz Köhler, die sich im "Freundeskreis Zapfenhaus" für den Erhalt des einmaligen Denkmals einsetzen.
Jüdische Geschichte von Mitwitz
Jüdische Geschichte von Mitwitz
Bis 1877 bestand eine jüdische Gemeinde in Mitwitz, 1877 verließ der letzte jüdische Einwohner Mitwitz. Um 1840 lebten 119 Einwohner in 21 Familien hier, somit waren fast 20 % der Einwohner (617) jüdische Mitbürger. Anfangs lebten die Familien vor allem vom Viehhandel und vom Geldverleih. Seit dem 18. Jahrhundert brachten es einige Juden zu größerem Ansehen. Viele betrieben auch überörtlich Handel. Im 17. und 18. Jahrhundert bewohnten die Juden in Mitwitz nur kleine Sölden oder Tropfhäuser. Erst im 19. Jahrhundert entstand eine Reihe von Häusern von großzügiger und städtisch-gleicher Bauweise. Das Straßenbild von Mitwitz ist heute noch von ehemals jüdischen Häusern geprägt. An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge, eine Religionsschule und die Mikwe. Mehrere jüdische Stiftungen trugen zur Ortsverschönerung oder Errichtung von Einrichtungen für die Allgemeinheit bei. Nach einem der Mäzenen, Ludwig-Abraham-Freund, war ab 1913 die Hauptstraße und ist heute noch eine Seitenstraße in Mitwitz benannt.
Als die Juden von Mitwitz weggezogen waren - einige wanderten nach Nordamerika aus oder zogen nach Coburg, Lichtenfels, Bamberg, Nürnberg, Fürth und Frankfurt - entstand in Mitwitz eine große Lücke; hatten die Juden doch Mitwitz zu einem kleinen wirtschaftlichen Zentrum im Steinachtal entwickelt. Viele Landwirte und Gewerbetreibende hatten Schwierigkeiten, ihre Erzeugnisse in den Handel zu bringen. hs
Spenden
Wer beim Erhalt des "Zapfenhauses" mithelfen möchte, kann dies mit einer Spende unter dem Stichwort "Zapfenhaus" des Aktionskreises Kronacher Synagoge. Die Bankverbindung lautet: RV-Bank: BIC: GENODEF1KC1, IBAN: DE46 7736 1600 0000 3508 50 oder Sparkasse: BIC: BYLADEM1KUB, IBAN: DE94 7715 0000 0240 0099 93"
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