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Der Kulmbacher Güterbahnhof von 1890
Hans-Hacker-Straße 17
95326 Kulmbach

Eingestellt von: Dietmar Popp
Eingestellt am: 18.01.2023
Geändert am: 05.01.2024

Bayerische Denkmalliste: eingetragen
Denkmalatlas / Aktennummer: D-4–77–128–486
Denkmal-Typ: Einzeldenkmal

Der Kulmbacher Güterbahnhof von 1890

Abriss eines Zeitzeugen

Der Kulmbacher Güterbahnhof wurde im Jahr 1890 erbaut. Haupt- und Nebengebäude sind im Stil des Späthistorismus gehalten, mit Stilelementen der Neogotik und des Heimatstils.

Die Architektur ist gut proportioniert, sachlich und funktional. An das Hauptgebäude schließen sich links und rechts lange Hallen an. Die Laderampen werden vom weit auskragenden Dach geschützt. Die Fassaden sind in rotem Klinker ausgeführt, die Fenster besitzen akkurat gearbeitete Laibungen aus Sandstein. In mehreren Giebeln finden sich Rundfenster mit Maßwerk aus Sandstein, hier als stehender Vierpass mit Dreiviertelkreisbögen. Die Tore der Laderampen sind als gemauerte Rundbögen ausgeführt. Das Gebäude ist sanierungsbedürftig, jedoch in gutem Zustand, die historische Bausubstanz ist unverfälscht.

Der Bahnhof liegt an der Strecke Bamberg-Hof, die als Teil der Ludwig-Süd-Nord-Bahn von 1846 bis 1848 im Auftrag der Königlich Bayerischen Staatsbahnen zunächst eingleisig gebaut wurde. 1891 wurde die Strecke um ein zweites Gleis erweitert. Genutzt wurde der Güterbahnhof von der DB wohl bis in die 1990er Jahre. 2014 kaufte die Kulmbacher Brauerei den Bahnhof, inzwischen ist er offenbar im Besitz der Bayerischen Landesimmobiliengesellschaft.

Die große Bedeutung, die dieses Baudenkmal für Kulmbach besitzt, berührt die hellen wie die dunklen Seiten der jüngeren Kulmbacher Geschichte. Als Umschlagplatz für die aufstrebende Stadt mit Ihren zahlreichen Brauereien, Mälzereien und der benachbarten KSP (Kulmbacher Spinnerei) von Geheimrat Fritz Hornschuch ermöglichte der Güterbahnhof der Stadt Kulmbach eine erstaunliche Entwicklung. Für das Jahr 1890 notierte man z.B. bereits den Export von 400 000 Hektolitern Bier. Die heute in der Stadt dominierende Lebensmittel und Getränkeindustrie fußt auf dieser erfolgreichen Wirtschafts- und Industriegeschichte, das Gebäude des Güterbahnhofes steht als Baudenkmal für diese Vergangenheit.

Leider steht der Güterbahnhof auch für das dunkelste Kapitel Kulmbacher Stadtgeschichte im 20ten Jahrhundert. Auf einer seiner Rampen entledigten man sich 1942 der letzten sieben jüdischen Mitbürger in Richtung des KZ von Sobibór. Bemisst man den Wert des Bahnhofes als historischen Zeitzeugen und Denkmal, hat diese Vergangenheit Gewicht. Es macht den Kulmbacher Güterbahnhof zu einem besonderen Erinnerungsort.

Der Kulmbacher Güterbahnhof von 1890 - Fotos

Gefährdung

Die Stadt Kulmbach möchte das Kulturdenkmal Güterbahnhof einer Straße opfern. Wegen der Uni ("Green Campus" der Uni Bayreuth, 7.Fakultät) wird mehr Verkehr erwartet, offenbar müssen Studenten wie Bedienstete mit dem Auto bis zur Uni fahren. Autos und LKW sollen noch besser durch die Innenstadt strömen, Industrie und Gewerbe freuen sich. Planungen von Prof. Schirmer aus Würzburg und von Studenten der Hochschule Coburg unter Prof. Dr. Lang wurden Kulmbachern wie Studenten 2019 und 2021 noch als hoffnungsvolle und nachhaltige Ideen zum neuen "Green Campus" vorgestellt. Hier wurde der Bahnhof als idenditässtiftender Bestandsbau im Sinne von Resscourchenschonung und nachhaltigem Bauen gesehen.

Zeitgemäße Denkmalpflege, Nachhaltigkeit, Verkehrsverminderung und Beruhigung sind nun nicht mehr Ziel von Planungen. Insgesamt mutet das Vorhaben von Uni Bayreuth und der Stadt Kulmbach an, wie der Gegenentwurf zum letztes Jahr von Bayerischem Landesverein für Heimatpflege e.V. und dem Bund Deutscher Architekten ausgerufenem Motto: "Die Abreißerei muss ein Ende haben"

Die Uni Bayreuth verabschiedet sich so auch von ihren in einer 27-seitigen Nachhaltigkeitsstrategie postulierten Vorsätzen. Sie möchte die "Graue Energie" des Bestandsbaues zum Fenster hinaus werfen und dessen bestehenden CO2 Fußabdruck neue für Abriss, Entsorgung, Recycling und Neubau hinzufügen. Stadtentwicklung anno 1953 und nicht 2023 scheint für die Stadt Kulmbach und die Universität Bayreuth ein erstrebenswertes Vorbild.

Abreißen - dieses Konzept hat im Kulmbacher Rathaus, wie auch im hiesigen Landratsamt, eine seit Jahrzehnten ungebrochene Tradition. Leider wenige reflektiert von der Presse und daher selten hinterfragt von der Bevölkerung. Würfelarchitektur in Baumarktästhetik ersetzt die oft ohne Not zerstörte historische Bausubstanz der Kulmbacher Heimat. Dennoch werden weiter auch noch die letzten Denkmäler anvisiert: Kulmbach ist einigen Stadträten ohne Kultur offenbar noch zu ansehnlich.

Verlust

Trotz Denkmalschutz, Listeneintragung und Einspruch des Landesvereines für Heimatpflege (Stellungnahme von Prof. Nagler der TU München) beschloss der Kulmbacher Stadtrat den Abriss mit nur drei Gegenstimmen. Der Abriss soll zügig vonstatten gehen und ist bereits für Juni 2023 geplant. Die Ausschreibung für die Abbrucharbeiten war bereits vor (!) der entscheidenden Stadtratsitzung veröffentlicht worden.

Nachtrag: Der Abriss ist mittlerweile seit Ende August in vollen Gange. In einem Zeitungsbericht der Bayerischen Rundschau wurde berichtet, dass man im Zuge der Abbrucharbeiten überraschend geringe Mengen an belasteten Material und Schadstoffen fand.

Noch vor wenigen Wochen war ein Hauptargument gegen Weiternutzung und Erhaltung des Denkmals, dass mit einer enormen Schadstoffbelastung zu rechnen sei, eine Sanierung daher zu teuer und nicht sinnvoll sei. Eine Grundlage verlässlicher Fakten gab es dazu damals nicht, derlei Kleinigkeiten waren und sind für die Abrisslobby nicht von Belang. Gedanken zu diesem damals Behaupteten macht sich nun in Kulmbach aber keiner mehr. Kritischer Rückblick: Fehlanzeige, Abrissfetischisten wie Lokalpresse kümmern ihre vergangenen Behauptungen und damit gespickten Artikel mit tendenziöser Stoßrichtung zum Nachteil eines Kulturdenkmals keinen Deut, von Einsicht oder Scham gar nicht zu reden.

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