gefährdet

Ensemble „Altstadt Bamberg“ nördlich der Langen Straße
Lange Straße 25-29, Keßler- und Hellerstraße
96047 Bamberg

Eingestellt von: Bamberg im Denkmalnetz
Eingestellt am: 07.01.2015
Geändert am: 10.04.2016

Bayerische Denkmalliste: eingetragen
Denkmalatlas / Aktennummer: E-4-61-000-1
Denkmal-Typ: Ensemblebestandteil

Ensemble „Altstadt Bamberg“ nördlich der Langen Straße

Geplante Citypassage im sog. Quartier an der Stadtmauer gefährdet Bestand und städtebauliche Struktur

Den Kunstnamen „Quartier an der Stadtmauer“ hat die Stadtverwaltung Bamberg einem Gebiet innerhalb der sog. Inneren Inselstadt zwischen Langer Straße, Hellerstraße, Franz-Ludwig-Straße und Promenade verliehen. Laut Denkmalliste bzw. Bayerischem Denkmal-Atlas ist das Gebiet Teils des großflächigen Ensembles „Altstadt Bamberg“. Viele Gebäude sind Einzeldenkmäler. Hinzu kommen u.a. Bodendenkmäler in der Hellerstraße (u.a. Reste der abgegangenen zweiten Synagoge des 15. Jahrhunderts). An Einzeldenkmälern existieren hier u.a. die Rückgebäude Hellerstraße 11 und 13 (u.a. Bandwerkstukkaturen um 1730), das ehem. Marktdienerwohnhaus Keßlerstraße 36, das ehemalige Atelier- und Wohnhaus der Dekorationsmaler Müller in der Keßlerstraße 38 (Fassade mit Sandsteingliederung, historistisch, Neubau von Chrysostomus Martin 1895, und untertägige mittelalterliche und neuzeitliche Siedlungsteile), das ehem. Bürgerhaus Lange Straße 31 (beim Wiederaufbau 1947 lediglich die Hausteinfassade mit barockem Dekor um 1735/37 und die Keller des 16. und 19. Jahrhunderts erhalten, Rest der Stadtmauer, achteckiges Gartenhaus um 1815).

Hinzu kommt der Gebäudekomplex Lange Straße 25-29, das inzwischen leerstehende und deshalb zusätzlich gefährdete Sparkassengebäude. Dessen Denkmaleigenschaft ist von den Planern wie den Behörden bislang nicht erkannt worden. Dieses Gebäude entstand zwar nach einem Denkmalfrevel: Nach einem Bericht der früheren Heimatpflegerin Karin Dengler-Schreiber (Inselrundschau 15/2011) war Lange Straße 25 das mittelalterliche Brauhaus „Zum Hirschen“. Es wurde 1982/83 für die Erweiterung der Kreissparkasse abgebrochen und 1984 durch einen Neubau ersetzt, für den auch die Häuser Hellerstraße 17 und 19 fallen mussten. Lange Straße 27 war das Stammhaus der Familie Karg von Bebenburg; zu diesem repräsentativen Palais gehörten ein barocker Garten mit einem Rückgebäude von 1760, das durch eine der schönsten Barocktreppen Bambergs erschlossen war, und ein Gartenpavillon, der später von E.T.A. Hoffmann ausgemalt wurde. 1963 wurde dieses Anwesen von der Kreissparkasse erworben, 1966 auch das 1530 erbaute Haus Lange Straße 29. Alle Gebäude wurden abgerissen und ab 1970 durch den bestehenden Neubau ersetzt. Mittlerweile ist der Neubau aber zumindest infolge seiner städtebaulichen Bedeutung selbst in die Eigenschaft als Einzelbaudenkmal gemäß Bayerischem Denkmalschutzgesetz hineingewachsen; darüber hinaus hat er auch als Neubau Denkmaleigenschaft als Bestandteil des Ensembles nach Art. 1 Abs. 3 BayDSchG.
 
Ausführliche Darstellung des Denkmalbestandes im Großinventar des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege („Die Kunstdenkmäler von Bayern: Stadt Bamberg V: Innere Inselstadt“, 1990, von T. Breuer und R. Gutbier).

Ensemble „Altstadt Bamberg“ nördlich der Langen Straße - Fotos

Gefährdung

Seit Anbeginn der Planung einer „Citypassage“ um die Jahrtausendwende war der zunächst kaum bekannte und erforschte Denkmalbestand sowohl der verkannten Ensembles als auch zahlreicher Bau- und Bodendenkmäler gefährdet. Die rechtlichen Konsequenzen werden durchweg nicht beachtet. Die Planungen stellen auch nach dem Stand April 2016 sowohl den Baubestand als auch die städtebaulichen Strukturen in Frage.

Defizite sind nach wie vor die kaum herstellbare Denkmalverträglichkeit sowohl für Einzeldenkmäler, Bodendenkmäler und städtebauliche Strukturen als auch zweifelhafte Vorgaben für das Verhältnis von Wohnen, Arbeiten und Handel sowie Verkehrsanbindung und Architektursprache.

Ursprüngliche Planungen „für mehrere hundert Parkplätze und eine große Einkaufspassage mit weit über 10.000 Quadratmetern Gewerbefläche“ (aus einer Mitteilung der GAL) wurden nach Bürgerprotesten und dem Bekanntwerden vehementer Bedenken der UNESCO wegen Verunstaltung des Weltkulturerbes zurückgestellt. Die Entwicklung stellte die Inselrundschau des Bürgervereins Mitte vom September 2011 zusammen. Auch später noch waren 16.000 Quadratmeter für Einzelhandel, Gewerbe und Gastronomie vorgesehen. Im Jahr 2015 forderten mehrere Parteien, die Büroflächen auf 1.500 Quadratmeter und den Einzelhandel auf 1.800 Quadratmeter zu begrenzen. Auch die mittlerweile noch 2015 vorgelegten Planungen können über das Fortbestehen der genannten Bedenken nicht hinwegtäuschen.

Unter der hoffungsschwangeren Überschrift „Zwei Schandflecken in Bambergs Langer Straße verschwinden“ berichtete der Fränkische Tag am 26. August und am 26. September 2015 über die neuesten Entwicklungen zum Ende der Ära des Sparkassenchefs, der hier etliche Millionen von Guthaben der Kunden seines Geldinstituts anlegen wollte und dies nun nicht mehr im aktiven Dienst erleben durfte. Nach Einschätzung der Redaktion zeichnete sich im Herzen der Innenstadt eine vielversprechende Aufwertung ab. Das "Quartier an der Mauer" rücke näher und werde von einem zweiten Großprojekt komplettiert: Die Mediengruppe Oberfranken kauft die beiden maroden Gebäude am Eingang zu den Theatergassen und will ein Stück Stadtreparatur leisten. Der Oberbürgermeister ergänzte: "Wir werden eine Renaissance der Einkaufsmeile erleben. Es ist ein großer Durchbruch, dass zwei Weichenstellungen praktisch zum gleichen Zeitpunkt erfolgen sollen." Das Blatt berichtete, der „kommunalpolitische Dauerbrenner“, der in den 17 Jahren seiner Vorgeschichte den Bambergern keine Enttäuschung ersparte, sei in eine Phase getreten, die das Projekt in greifbare Nähe rücken lasse. Der Vertrag mit dem Erlanger Unternehmen Sontowski und Partner als Projektentwickler sei unterzeichnet. Der OB ging davon aus, dass es jetzt kein Zurück mehr gebe. Geplant sei eine Eröffnung der Passage in gut zwei Jahren. Nach einer Neuorientierung der Sparkasse Bamberg, die selbst in das Gelände investieren wolle, werde der Traum einer Verbindung vom ZOB zur Langen Straße wahr.

Bereits am 26. August 2015 hat der Fränkische Tag getitelt, „Bamberger Quartier: Eröffnung im Advent 2017?“ Verwaltung und Politik wollten dazu beitragen, dass das "Quartier" schnellstmöglich verwirklicht werde. Ein interner Zeitplan solle die Realisierung in einer rekordverdächtig kurzen Spanne möglich machen. Nachdem sich die Sparkasse im Juli entschieden habe, das geplante "Quartier an der Stadtmauer" selbst zu realisieren, liege inzwischen ein Zeitplan vor. Damit dieser funktioniere, solle der Bausenat des Stadtrats am 8. Oktober 2015 die Verwaltung mit der Eröffnung des Bebauungsplanverfahrens beauftragen. Wenn nichts Unvorhergesehenes dazwischen komme, könnte der Bebauungsplan bis 31. Juli 2016 vorliegen, sagte der OB. Dann hätten die Sparkasse als die Bauherrin und ihr Projektentwickler bis zum Endspurt im Weihnachtsgeschäft 2017 noch 17 Monate Zeit, um ihre Pläne für die brach liegenden Grundstücke zwischen Lange Straße und Promenade in die Tat umzusetzen. 5000 Quadratmeter warten bekanntermaßen darauf, wieder genutzt zu werden. Die Eckpunkte für das geplante Einkaufs- und Wohnviertel samt einem 130-Zimmer-Hotel stehen und haben - grob - den Segen des Stadtrats: Die Handelsflächen wurden deutlich zu Gunsten von mehr Wohnungen reduziert, ein kleiner Lebensmittelmarkt soll die Nahversorgung in der Stadtmitte stärken. Die Reste der Stadtmauern im Boden würden erhalten, ebenso wie die denkmalgeschützte Substanz in einigen der historischen Häuser, darunter ein rituelles Tauchbad, eine so genannte Mikwe. Noch keine Entscheidung sei darüber gefallen, ob das Sparkassengebäude an der Langen Straße nur umgestaltet oder abgerissen und neu gebaut wird. Komme ein Neubau, käme darunter auch eine Tiefgarage. Die 100 Stellplätze würden allerdings für die Autos der künftigen Bewohner und Hotelgäste reserviert sein. Mit seiner vorgesehenen Veröffentlichung im Rathaus-Journal im Juli 2016 würde Bebauungsplan Nr 114 F rechtskräftig. „Dann könnten die Bagger anrollen“. Den neuen Anlauf der Bagger kommentieren die gewitzten Bamberger mit den Worten: „An den Nikolaus glauben nur die Einfältigen“.

Noch im Herbst 2015 hat die Stadt Bamberg den Bebauungsplan "Quads" vorangetrieben; sie veranstaltete dazu eine sog. vorgezogene Öffentlichkeitsbeteiligung, deren Ergebnisse in der sog. Abwägungstabelle vom 18.12.2015 zusammengefasst sind. Unschwer sind die Defizite der Denkmalbehörden und der Stadtplanung bei der Bewertung der Umweltauswirkungen (im weiteren Sinne), der Denkmaleigenschaften von Teilen des Altstadtensembles als Teilensembles und der daraus abzuleitenden zwingenden Rechtsfolgen zu sehen. Auch der Fassadenwettbewerb für die abzubrechenden Gebäude ist abgeschlossen (Bericht des Fränkischen Tag vom 17.3.2016). Die Stadt hat auch eine Tabelle mit den Abwägungsergebnissen (zeitlich übrigens vor dem Preisgericht des Fassadenwettbewerbs, Stand 18.12.2015) veröffentlicht. Es ist offensichtlich, dass weder die Tabelle noch der Wettbewerb die Denkmaleigenschaften des Planungsgebietes ausreichend berücksichtigen.

Das Wettbewerbsergebnis ist trotz der positiven Hofberichterstattung unerträglich; das Landesamt für Denkmalpflege und der Landesdenkmarat haben dem Vernehmen nach alles bereits durchgewunken. Die Planung ist aus Gründen des Denkmalschutzes genauso wenig genehmigungsfähig wie der Abbruch der Gebäude an Langer Straße und Promenade.

Das Gebäude Lange Straße 25-29 von 1984 ist zumindest infolge seiner städtebaulichen Bedeutung selbst in die Eigenschaft als Einzelbaudenkmal hineingewachsen; auch als Neubau und als ensembleprägender Bau hat es wie das Metznergebäude kraft Gesetzes Denkmaleigenschaft als Bestandteil des ebenfalls übersehenen Straßenensembles Lange Straße. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof gibt zur Erhaltungspflicht vor: „Ensembleprägende Bestandteile sollen, auch wenn sie keine Einzelbaudenkmäler sind, grundsätzlich erhalten werden.“ Nunmehr stehen sowohl der Baubestand als auch die städtebaulichen Strukturen von Ensemble und Weltkulturerbe in Frage.

Entscheidend für das Fehlen der Genehmigungsfähigkeit der beabsichtigten Neubauten ist auch der Qualitätsunterschied zwischen Bestand und Wettbewerbsergebnis 2016. Letzteres ist unter keinem Gesichtspunkt denkmalverträglich. Die 1984 immerhin teilweise aufgenommene Gliederung der ursprünglichen drei Baukörper (siehe Titelblatt Inselrundschau 2011, pdf) ist aufgegeben, die Fassadengliederung entspricht nicht der ortstypischen Bauweise, Fensteraufteilung und Fenstergestaltung sind hilflos und nicht dem Ensemble angemessen. Die prämierten Dachgauben sind nicht ensemblegerecht (Flachdächer). Offensichtlich ist der aktuelle Bestand (Bau von 1984) noch wesentlich eher denkmalgerecht als die Planung 2016. Folgerung: Unzulässigkeit von Abbruch und Neubau, weil beide Vorhaben zu einer Beeinträchtigung des Wesens, des überlieferten Erscheinungsbilds oder der künstlerischen Wirkung eines Baudenkmals (= Straßenensemble Lange Straße, Ensemble Promenade, Altstadtensemble) führen würden und gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands sprechen.

Dem Vernehmen nach soll noch vor Rechtskraft des Bebauungsplans mit den dann unumkehrbaren Abbrucharbeiten an der Denkmalsubstanz begonnen werden. Zu befürchten ist, dass weder Landesamt noch Stadt den tatsächlichen Denkmalbestand wahrnehmen und vollendete Tatsachen schaffen. Es ist höchste Eisenbahn!

Rettung

In seinem Artikel vom 26. August 2015 („Bamberger Quartier: Eröffnung im Advent 2017?“) berichtet der Fränkische Tag, dass die Reste der Stadtmauern im Boden erhalten würden, ebenso wie die denkmalgeschützte Substanz in einigen der historischen Häuser, darunter ein rituelles Tauchbad, eine so genannte Mikwe.

Weitere Informationen:
  • Bürgerverein Bamberg Mitte, Sonderheft 2011 “Quartier an der Stadtmauer”
  • Gemeinsame Stellungnahme der Heimatpfleger der Stadt Bamberg und der denkmalschützenden Vereine Bambergs zum Quartier an der Stadtmauer vom 24.05.2011, online
  • Michaela Schmölz-Häberlein, Von Häusern und Menschen, Ein Beitrag des Historischen Vereins zur aktuellen Diskussion um das „Quartier an der Stadtmauer“, in: Inselrundschau 2014, S. 6f., online (pdf)

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