Pissoir von 1900 am Holzplatz in München
Pavillon droht durch Umnutzung sein historisches Erscheinungsbild einzubüßen
Bei dem denkmalgeschützten achteckigen Pavillon handelt es sich um eine für das frühe 20. Jahrhundert typische öffentliche Bedürfnisanstalt. Im Jahr 1900 auf dem Karlsplatz errichtet wurde er später auf den Holzplatz versetzt. Die sogenannte „Klappe“ ist eng verbunden mit der Geschichte der Homosexualität in München. Das Pissoir war seit dem frühen 20. Jahrhundert ein Treffpunkt Schwuler. Schwul sein bedeutete noch bis zum Jahr 1978, seine Sexualität in der Illegalität leben zu müssen. Während der Herrschaft der Nationalsozialisten war aber nicht nur die Freiheit bedroht, sondern auch das Leben. In der Tradition, Homosexuelle „auszusondern“, träumte noch 1983 Münchens damaliger Kreisverwaltungsreferent Peter Gauweiler von der „Zerschlagung der homosexuellen Infrastruktur“.
München war in den 1930er-Jahren nicht nur die „Hauptstadt der Bewegung“, sondern war schon zuvor und ist bis heute eine lebendige Metropole homosexuellen Lebens mit dem Glockenbachviertel als Zentrum. Das alte Pissoir am Holzplatz ist nicht nur von städtebaulicher Bedeutung, der durch den Denkmalschutz gewürdigt wurde, sondern auch ein Symbol der einzigartigen lokalen Geschichte.
Gefährdung
Nach einem öffentlichen Wettbewerb am Jahresende 2011 hat das Kommunalreferat der Stadt München den Pavillon seit Mai 2013 an einen Unternehmer zum Betrieb eines Eisverkaufskiosks vermietet. Dies wird zwingend erhebliche Eingriffe in die intakten Außenwände erfordern und damit das Erscheinungsbild stark verändern. Mit der Eröffnung ist aber dem Vernehmen nach nicht mehr im gleichen Jahr zu rechnen.
Dabei ist aus Sicht der Initiative der Bedarf für einen weiteren Kiosk oder einen Imbissstand nicht vorhanden. Vielmehr wäre nach Meinung des Vereins hier Gelegenheit, durch eine angemessenere Nutzung Vergangenheit für die Zukunft sichtbar zu machen. Vorstellbar wäre ein „Örtchen“, das eine Gedenkstätte für Lesben und Schwule in der Verfolgung wird. Eine Nutzung etwa als kleine Galerie mit wechselnden Ausstellungen zeitgenössischer Kunst schlug der Verein bereits in der Vergangenheit vor. Dafür wären keine Veränderungen an der Außenfassade nötig.
Die Diskussion über die Zukunft der ehemaligen öffentlichen Bedürfnisanstalt ist seit dem Frühjahr letzten Jahres im Gang und beschäftigte auch den zuständigen Bezirksausschuss. Rund 500 Bewohner des Glockenbachviertels, die durch mehr Lärm und Abfall um die besondere Lebensqualität ihres Quartiers fürchten, beteiligten sich an einer Unterschriftenaktion. Mit Schreiben vom 4. Juni 2012 machte der Verein Kiez und Kultur Oberbürgermeister Christian Ude auf das Problem aufmerksam. In seiner Antwort vom 19. Oktober 2012 teilte Ude mit: „Die Verhandlungen über eine Bewirtschaftung des Pavillons sind […] derzeit eingestellt, da - auch angeregt durch die intensive Beteiligung der Bürger und politischen Gremien am Verfahren - stadtintern neue planerische Ziele angedacht werden.“
Dennoch hat das Kommunalreferat schließlich den Vertrag mit dem Eisdielenbetreiber geschlossen. Es soll wohl bald zum Beginn der Umbaumaßnahmen am Pavillon kommen.
Eine zweite Unterschriftenaktion im Viertel hatte der Verein nach dem Brief des Oberbürgermeisters abgebrochen, möchte sie nun aber wieder aufnehmen. Die Gruppierung plant Demonstrationen und will alle politischen und juristischen Möglichkeiten nutzen
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