Alte Schlosswirtschaft, Planegg
Nach jahrzehntelangem Verfall erteilt die Regierung von Oberbayern als Höhere Denkmalschutzbehörde die Abrisserlaubnis des Baudenkmals
„Sehr bedauerlich" finden es das Landesamt für Denkmalpflege und viele Bürger.
Erstmals erwähnt wurde die Schlosswirtschaft im Jahr 1425. In ihrer heutigen Form mit dem seltenen spätbarocken Krüppelwalmdach wurde sie im 17. / 18. Jahrhundert errichtet. Seit sechs Jahrhunderten diente sie auf der Handelsrute zwischen Starnberger See und München als Einkehr. Das Wirtschaftsgebäude bildet nach Einschätzung des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege (BLfD) bis heute ein Ensemble mit dem Planegger Schloss, dem Sitz der Familie von Hirsch. Die Wirtschaft sei als Teil des Schlosses „einerseits bauliche Fassung des die Würm begleitenden wichtigen Fahrweges als auch Teil des baulichen Gesamtzusammenhangs des Schlosses“. Dazu gehören aus Sicht der Behörde auch die Bauwerke, die „soziale und wirtschaftliche Aspekte der Schlossgeschichte repräsentieren“.1 Es ist eines der letzten Beispiele für den Typus eines spätbarocken Landgasthofs im Landkreis München, mit hoher Bedeutung für die Umgebung des Hofmarkschlosses und des Planegger Ortsbildes.2
Im Laufe der Jahrhunderte beherbergte es eine Taverne, einen Gasthof und auch Stallungen. Nach dem Zweiten Weltkrieg fanden dort viele Heimatvertriebene eine erste Bleibe in Planegg, der Bildhauer Wilhelm Müller richtete im Erdgeschoss ein Atelier ein. Seit 200 Jahren ist die Schlosswirtschaft im Besitz der Familie von Hirsch.1, 3
Anfang der 60er Jahre wollte der Bayerische Staat sie abreißen, um die Straße nach Starnberg verbreitern zu können. Die Regierung von Oberbayern habe deshalb eine Veränderungssperre auf das Gebäude gelegt. Laut Phillipp von Hirsch hieß es von Seiten der Regierung, sie dürften das Gebäude nicht renovieren und keine wertverbessernden Maßnahmen durchführen. Gleichzeitig hätte sie ein Enteignungsverfahren angestrebt, um an das Gebäude zu kommen. Das sei 22 Jahre lang (1960 – 82) so gegangen.4 Laut AZ und SZ hingegen wurde die Veränderungssperre verhängt, nachdem die Eigentümerfamilie dem Verkauf an den Staat nicht zustimmte.5, 6
In dieser Phase - zwischen 1973 und 1982 - wurde das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt, weil es von besonderer geschichtlicher, städtebaulicher und volkskundlicher Bedeutung ist. In der Baudenkmälerliste steht es scheinbar bereits seit Beginn des 20. Jahrhunderts1. Die Eigentümer lassen das Gebäude trotzdem weiter verfallen, obwohl der Erhalt des Baudenkmals seit 1973 qua Gesetz im Interesse der Allgemeinheit liegt. Der Planegger Bürgermeister Nafziger (CSU) - Parteifreund des Eigentümers - meint, dass die Veränderungssperre der Regierung von Oberbayern bis heute verhindert, dass die Familie das Gebäude instandsetzte. In seinen Augen ist das Gebäude mehr oder weniger ein Schandfleck.5 Am 10.4.2024 wurde im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst des Bayer. Landtags die Petition einer Bürgerin gegen die Abrissgenehmigung behandelt. Die Berichterstatterin Dr. Sabine Weigand stellte klar, dass die Veränderungssperre bereits 1982 aufgehoben wurde.
Das BLfD bemüht sich laut eigener Aussage schon seit den späten 1980er Jahren um den Erhalt der bedeutenden Schlosswirtschaft.2 Auch Alexandra Leuthner schreibt in der SZ vom 7.5.2005 unter dem Titel "Hindernisse bei der historischen Spurensicherung“ über Denkmalpfleger Uli Walter: "Wenn der Eigentümer mauert: Ganz ähnlich hört sich die Geschichte der ehemaligen Schlosswirtschaft in Planegg an. […] Auf eigene Kosten hat das Denkmalamt hier drei Nutzungskonzepte für den Fall einer Renovierung erarbeiten lassen, „wir haben alle Zugeständnisse gemacht, übernehmen die Mehrkosten.“ Aber keine Chance. Der Eigentümer, der Baron von Hirsch, will einfach nicht.“
Der Eigentümer Baron Hubert von Hirsch stellt Anfang der 90er Jahre einen Abrissantrag, der jedoch aufgrund der Denkmaleigenschaft abgelehnt wurde. Laut SZ besteht seit 1995 ein behördliches Verbot, das Haus abzureißen. Beschieden wurde es vom Landratsamt München, der zuständigen Unteren Denkmalschutzbehörde. Ein Widerspruchsverfahren bei der Regierung von Oberbayern ist seit mehr als 30 Jahren ohne klares Ergebnis geblieben.6 Sohn Philipp von Hirsch berichtet, sie hätten in den letzten Jahrzehnten mehrere Gutachten an die Regierung von Oberbayern eingeschickt zur Statik und zur Wirtschaftlichkeit des Gebäudes. Die Wirtschaftlichkeit wurde immer negativ begutachtet, weshalb auch Banken keinen Kredit geben würden, weil der Businessplan negativ ausfallen würde.4
2005 wird in der SZ von einem Streit um die Rathauskreuzung berichtet. Die Gemeinde möchte diese seit Jahren sicherer gestalten, dies scheitert jedoch am Eigentümer der Schlosswirtschaft. Rainer Rutz schreibt "Bürgermeister Dieter Friedmann ist es als erstem Planegger Bürgermeister gelungen, mit den adeligen Grundbesitzern erfolgreiche Verhandlungen zu führen – zuletzt um den Kauf des Kindergartens Josephsstift in der Pasinger Straße. Im Rathaus hofft man, dass es auch um die alte Schlosswirtschaft bald zu einer Übereinkunft kommen könnte. Zumal eine renovierte Schlosswirtschaft sicherlich guten Zulauf hätte.“8
Im Herbst 2012 plant der Eigentümer laut Münchner Merkur, im Gebäude Büros unterzubringen. Dafür möchte er einen Teil am nördlichen Ende abreißen für eine Zufahrt zu den im Innenhof geplanten Parkplätzen.3 Der Eigentümer stellte beim Landratsamt einen Antrag auf Vorbescheid, der laut SZ 2014 beschieden wurde. Darin steht, dass die Wandbereiche eines Anbaus beseitigt werden könnten.7 Auch das BLfD stimmte grundsätzlich zu. Sogar einem Antrag auf Förderung aus staatlichen Mitteln wurde darauf im Grundsatz stattgegeben: „Über den Antrag kann entschieden werden, wenn ein abstimmungsfähiges Instandsetzungskonzept vorgelegt wird.“ Weiter heißt es: „Der beantragte Zuschuss könnte aus Haushaltsmitteln nur zu einem geringen Prozentsatz bewilligt werden“; dazu müsste es noch eine „denkmalfachliche Abstimmung der Instandsetzungsmaßnahme geben“. Ob ein weiterer Zuschussantrag aus anderen Töpfen Erfolg haben wird, ist offen.1 Die Pläne sind offensichtlich nicht weiterverfolgt worden.
Seit 2022 liegt dem BLfD ein Gutachten vor, dem zufolge man die Schlosswirtschaft durchaus instand setzen könne. Nachdem im Oktober 2023 ein Teil der kleineren Anbauten einstürzte, folgten im Oktober/November 2023 weitere Gutachten. Laut Dr. Susanne Fischer vom BLfD sei darin an keiner Stelle formuliert, dass die Instandsetzungsfähigkeit des Hauptgebäudes unmöglich wäre.4 Der SZ teilt das Landesamt mit, einsturzgefährdet seien nur die Wandbereiche des Anbaus, die laut dem Vorbescheid aus 2014 ohnehin hätten beseitigt werden können. Diese Teile sollen "planmäßig von außen" durch eine Fachfirma abgebrochen werden. Das betroffene Wandstück des Hauptgebäudes könne dagegen vorerst gesichert und bei einer Instandsetzung erneuert werden. "Die jetzt eingetretenen Schäden wirken sich nicht auf die Denkmaleigenschaft aus, weshalb es keinen Anlass gibt, die Schlosswirtschaft aus der Denkmalliste zu streichen“.7
Offenbar üben seit dem Teileinsturz Planeggs Bürgermeister Herrmann Nafziger und sein Parteifreund, der Gemeinderat und Eigentümer Phillipp von Hirsch, verstärkt Druck auf die Behörden aus.6 Im Oktober 2023 lässt das Landratsamt München auf Initiative des Bürgermeisters die Ortsdurchfahrt wegen der angeblichen Einsturzgefahr sperren.4
Zuletzt bot der Staat einen Renovierungszuschuss in Millionenhöhe an.6 Laut Berichterstattung von Frau Dr. Weigand im Landtag wurden 1,6 Mio. Förderung aus dem E-Fonds plus bis zu 400.000 € rein für Stabilisierungsmaßnahmen angeboten. Dennoch erteilt die Regierung von Oberbayern als Höhere Denkmalschutzbehörde am 9. Januar 2024 eine Abrisserlaubnis. Sie hebt damit den Bescheid des Landratsamts München (Untere Denkmalschutzbehörde) von 1995 auf. Die "wirtschaftliche Zumutbarkeit einer Sanierung sei nicht gegeben". Und: Der Erhalt des Denkmals lasse sich "auf Dauer nicht allein aus den Erträgen des Objekts finanzieren."5 Hierzu führt Frau Weigand im Landtag am 10.4.2024 aus:
Die Wirtschaftlichkeitsberechnung des Eigentümers sei laut Landesdenkmalamt und Regierung als nicht korrekt bezeichnet worden, weil z. B. Steuervorteile gar nicht mit einbezogen wurden. Daraufhin stellt die Regierung eigene Wirtschaftlichkeitsberechnungen an, die wiederum die Unzumutbarkeit bestätigen. Die Möglichkeit eines Verkaufs wird in der Entscheidungsbegründung übrigens abgetan mit dem spekulativen Argument, da findet sich ja eh keiner. Es fällt der denkwürdige Satz: „Für den Liebhaber, der bereit wäre, in größerem Umfang eigenes Vermögen aufzuwenden … sind auf dem Markt geeignetere Objekte verfügbar.“ Also sparen wir uns die Mühe. Anderen Eigentümern wird schon der Nachweis von Verkaufsanstrengungen abverlangt – warum hier nicht?
Planeggs Bürgermeister Nafziger (CSU) sagte zur Abrissgenehmigung: "Mir fällt ein Stein vom Herzen." Nun könne bald auch die Straße wieder geöffnet werden.6 Der Eigentümer hält sich beruflich im Ausland auf, die AZ konnte ihn für eine Stellungnahme nicht erreichen.5
- "Treffpunkt Taverne" von Rainer Rutz, 17. März 2017
- "Ruine statt Denkmal - in Planegg zerfällt die ehemalige Schlosswirtschaft und sorgt für Ärger", München.TV, 19.10.2023, 17:22 Uhr
- "Alte Schlosswirtschaft wird saniert", Münchner Merkur, 09.02.2014
- "Denkmalschutz sorgt für Verkehrschaos", BR Abendschau, der Süden, 18.12.2023
- Von wegen Denkmalschutz: Historische Schlosswirtschaft bei München darf abgerissen werden von Eva von Steinburg, 06.2.2024
- Denkmalgeschütztes Gebäude darf platt gemacht werden, 19. Januar 2024, 12:43 Uhr, von Rainer Rutz
- Denkmalamt pocht auf Erhalt der alten Schlosswirtschaft von Rainer Rutz, 25. Oktober 2023
- "Gedankenspiele um Schlosswirtschaft Renovierung oder Abriss: Zukunft der Rathaus-Kreuzung hängt davon ab", von Rainer Rutz, SZ, 10.12.2005
Alte Schlosswirtschaft, Planegg - Fotos
Verlust
Die alte Schlosswirtschaft Planegg aus dem 16. / 17. wurde binnen weniger Tage platt gemacht. Sie durfte aufgrund von artenschutzrechtlichen Auflagen nur zwischen 15.3. und 15.4. abgerissen werden.
Trotz laufender Petition an den Bayerischen Landtag gegen die Abrissgenehmigung des Denkmals. Eine Planegger Bürgerin reichte diese am 8. Februar 2024 ein. Dazu heißt es aus der Petitionsstelle "Ein Petitionsantrag an den Landtag habe keinerlei aufschiebende Wirkung". Der Antrag lande beim zuständigen Ministerium und werde mit einer Reihe anderer Petitionen bewertet, bevor das Ergebnis im zuständigen Ausschuss öffentlich behandelt werde. Dieser Prozess könne Monate dauern."1
Auch hätte sich die Einsturzgefahr und die damit verbundene Straßensperre anders beheben lassen, wie das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege mitteilte. Bürgermeister Hermann Nafziger (CSU) wusste nach eigenen Worten nichts von dem Vorschlag. Auch der Antrag an den Petitionsausschuss war im Planegger Rathaus offenbar unbekannt.
Die Petition wurde schließlich am 10. April 2024 behandelt und hilft hoffenltich anderen Denkmälern. Der Ausschuss bestätigt, dass hier die zuständigen Behörden über Jahrzehnte versagten, einzig die Fachbehörde, das BLfD, hat bis zum Schluss mit allen Mitteln für den Erhalt gekämpft. Er beschloss deshalb einstimmig, die Petition entsprechend §80/3 mit Protokoll als Material an die Staatsregierung weiterzuleiten. Außerdem wird die Problematik demnächst im Landesdenkmalrat gemeinsam mit ähnlichen Fällen behandelt. Es soll dort auch die Zumutbarkeit diskutiert werden.
Der Antrag des Denkmalnetz Bayern auf vollumfängliche Akteneinsicht bei der zuständigen Behörde, der Höheren Denkmalschutzbehörde, bleibt bestehen.
Weitere Informationen s.a.
Ein Trümmerfeld als abschreckendes Beispiel, Anette Jäger, SZ vom 12.4.2024
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