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Mietshaus
Wilhelmstraße 27
80801 München

Eingestellt von: Annegret Bähnisch
Eingestellt am: 11.10.2019
Geändert am: 10.10.2022

Bayerische Denkmalliste: eingetragen
Denkmalatlas / Aktennummer: E-1-62-000-42
Denkmal-Typ: Ensemblebestandteil

Mietshaus

Schwabinger Mietshaus im Ensemble droht Abriss

Mitten im Ensemble „Nordschwabing“ (Aktennr. E-1-62-000-42) befindet sich das Miethaus Wilhelmstraße 27, erbaut im Jahre 1890. Bauherr war Georg Völkl, kein Unbekannter der damaligen Zeit, der einige Jahre später v.a. an der Villenkolonie Pasing unter August Exter mitgewirkt hat. Die Bauplanung übernahm der Bautechniker Josef Baudrexel aus Schwabing.

Aus den Ansichtsplänen geht hervor, dass zwar einige der vorgesehenen Fassadenverzierungen von der LBK gestrichen wurden, darüber hinaus ist das Gebäude jedoch noch heute weitgehend im Originalzustand. Durch nahe Bombeneinschläge erlitt es Beschädigungen an der Fassade, blieb selbst jedoch von Einschlägen verschont. Die verzierten Giebelfenster wurden nach Kriegsschäden vereinfacht erneuert, die Fassade Anfang der 1950er purifiziert, das Geschossbandgesims über dem Erdgeschoss blieb erhalten.

Georg Völkl veräußerte das Haus ein Jahr nach Fertigstellung an einen Bankier aus Uffenheim. Dessen Häuserverwalter Ernst Nawrotzki übernahm es um 1900, seine im Jahre 1907 genehmigten prunkvollen Veränderungen des Gebäudes verwirklichte er nicht. Bis zu ihrem Tod im Jahre 1988 lebte seine Tochter, die Lehrerin Berta Nawrotzki, selbst in dem Gebäude und sorgte für dessen Erhalt.

Neben den Originalkastenfenstern sind zum großen Teil die alten Parkettböden, einige alte Kachelöfen, Zimmer- und Wohnungstüren, z.T. auch Doppelflügeltüren, das alte Treppengeländer und der Terrazzoboden im Hauseingang erhalten.

Seit jeher gab es zwei kleine Läden in dem Mietshaus, einen „Tante-Emma-Laden“ und einen Milchladen, später lange Zeit Friseur. Trotz Bedenken seitens der benachbarten Schule wurde aus dem „Tante-Emma-Laden“ 1967 eine „Branntweinschänke“, die in den wilden 60ern eher unrühmlich bekannt wurde. Aber unter dem neuen Namen „Promillchen“ entwickelte sich das Bierstüberl zum erweiterten Wohnzimmer. In einem der letzten Refugien der alten Schwabinger, die ihr ganzes Leben hier verbracht haben, trafen die jüngeren noch auf Spuren des lässigen alten Schwabing.

Flankiert von der denkmalgeschützten Schule aus den 1880ern und dem höheren und jüngeren denkmalgeschützten Eckhaus Wilhelm-/Kaiserstraße trägt es bei zur Veranschaulichung der regen Bautätigkeit um die vorletzte Jahrhundertwende.

Trotz geringer Instandhaltungsmaßnahmen in den letzten Jahren ist das Mietshaus weitgehend in einem guten Zustand. Seit Übernahme durch Investoren bleiben Instandhaltungen allerdings aus.

Mietshaus - Fotos

Mietshaus - Video

Kontrovers: Wem gehört die Stadt? Wenn Mieter auf der Strecke bleiben BR Fernsehen am 15.07.2020 21:00 Uhr 8 Min
Kontrovers: Wem gehört die Stadt? Wenn Mieter auf der Strecke bleiben BR Fernsehen am 15.07.2020 21:00 Uhr 8 Min

Gefährdung

Nach dem Tod des letzten Eigentümers im Jahre 2017 ging das Haus meistbietend an einen Investor. 2019 fand sich ein weiterer Investor ein, die Eigentumsverhältnisse sind unklar. Mündlich ließ der Investor Abriss und Neubau verkünden. Wohnungen sollen nach Wegzug der Altmieter nicht mehr neu vermietet werden, heißt es. Der Pachtvertrag der Traditionsgaststätte wurde nicht verlängert, zum großen Bedauern der vielen Stammgäste musste das Bierstüberl im Jahre 2019 schließen. Ende 2019 stellte der Investor einen Bauantrag: Zwischen denkmalgeschütztem Eckhaus mit 3 OG und denkmalgeschütztem Schulhaus mit 2 OG wollte er vier Geschosse zwängen. Für die Finanzierung der Neubaugenehmigung auf dem "Grundstück" wurden Kleinanleger angelockt, obwohl das Mietshaus noch bewohnt ist.

Mehr im BR-Beitrag "Wem gehört die Stadt?"

Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege versagte dem Gebäude den Schutz als Einzeldenkmal, stellte jedoch fest, dass es in der Baugruppe mit der benachbarten Wilhelmstraße 25 und ums Eck Kaiserstraße 24 das Straßenbild prägt. Als dreigeschossiger Bau gegenüber dem benachbarten viergeschossigen Bau wird der Wechsel von niedrigerer Bebauung zum weniger Jahre später höheren ablesbar.

Daraufhin lehnte die LBK den Bauantrag ab, der Investor legte Klage vor dem Verwaltungsgericht ein, mangels Klagebegründung konnte darüber jedoch bisher nicht entschieden werden.

Mitte 2022 legte der Investor erneut einen Antrag auf, diesmal eine Anfrage auf Bauvorbescheid: Das Gebäude soll um zwei Vollgeschosse und zwei Dachgeschosse aufgestockt werden, wobei die Umbauten bereits im zweiten OG beginnen müssten, ablesbar an den verringerten Deckenhöhen ab dem II. Obergeschoss. Mit dieser Aufstockung würde zwar bis zur nachbarlichen Giebelhöhe aufgestockt werden, jedoch zwangsläufig die Kubatur verändert werden. Das rückwärtige Werkstattgebäude aus den 1930er Jahren soll abgerissen und durch einen Neubau mit Tiefgarage ersetzt werden, wobei die Erschließung der Tiefgarage unklar ist, weil die Zufahrt über das Nachbargrundstück erfolgen könnte. Mit dieser Planung hat der Investor ein Architekturbüro beauftragt, das auch in der Stadtgestaltungskommission vertreten ist.

Der Bezirksausschuss Schwabing-Freimann, der noch im Jahre 2020 seinerseits einen nahezu einstimmigen Antrag auf Unterschutzstellung des Gebäudes an das Landesamt für Denkmalpflege gerichtet hatte, stimmte nun leider mehrheitlich der Aufstockung zu, entgegen der denkmalfachlich begründeten Einwände seitens der ehemaligen Denkmalschutzbeauftragten, Claudia Mann. Die von Petra Piloty formulierten Einschränkungen lassen sich im Zusammenhang mit einer Baugenehmigung  nicht durchsetzen. Die vom BA geäußerte Hoffnung auf weiteren Wohnraum läuft ohnehin ins Leere, der Investor beabsichtigt die Veräußerung des Anwesens mit genehmigten Plänen an einen Globalkäufer.

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Annegret Bähnisch

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