"Denkmalstadt" Fürth? Stadt nimmt herbe Verluste billigend in Kauf

Eingestellt von: Alexander Mayer
Eingestellt am 06.12.2014
Geändert am 28.09.2017

"Denkmalstadt" Fürth? Stadt nimmt herbe Verluste billigend in Kauf

Das Projekt "Neue Mitte" ist ein innerstädtisches Einkaufzentrum in Fürth, das seit 2013 im Bereich der Rudolf-Breitscheid-Straße verwirklicht wird.

Staatsministerium: Rechtswidrige Abrissgenehmigung

Im Mai 2013 erließ die Stadt Fürth auf Antrag des Investors eine Abrissgenehmigung für den historischen Festsaal des Parkhotels im Gebiet der Neuen Mitte. Die Verantwortlichen waren schon früh­zeitig darauf hingewiesen worden, dass dieser Be­scheid rechtswidrig ist. Aber die maßgeblichen Kreise wussten gleichzeitig, dass von den sehr wenigen Kla­ge­be­rech­tigten – nur direkte Anlieger – keiner klagen würde und die Regierung von Mittelfranken kaum einschreiten werde. Obwohl selbst das zuständige Ministerium die Rechtswidrigkeit feststellte und es zudem Proteste, Bürgerinitiativen und eine Petition gegen den Abriss gab, wurde der Abbruch dennoch vollzogen.
 
Oberbürgermeister Dr. Thomas Jung, Jurist und früher in der Rechtsprechung tätig, kommentierte die ministerielle Einschätzung, der zufolge der Bescheid seiner Stadtverwaltung rechtswidrig sei, mit: "Interessante Ausführungen". Auch der Investor MIB schien nicht übermäßig viel dabei zu finden, mit einem rechtswidrigen Bescheid zu arbeiten – vielleicht nicht das erste Mal, könnte man aus den Kommentaren zur Sache schließen: "Wir haben eine Ge­neh­mi­gung" – Punkt und Basta. Da vom Festsaal nur noch eine Wand stehenblieb, wurde er aus der Denkmalliste gestrichen.
 
Steichung aller Baudenkmäler aus der Liste
 
Mitte Juli 2014 wies der Autor in einem seiner regelmäßigen Rundbriefe darauf hin, dass darauf folgend auch fünf weitere Anwesen in der Neuen Mitte (Rudolf-Breitscheid-Straße 4, 6, 8 und 10) aus der Denk­mal­liste gestrichen wurden, da sie vor allem im Rah­men der Baumaßnahmen des Investors MIB massiv verändert wurden und nicht mehr den Vorgaben des Denk­mal­schutz­ge­setzes entsprechen. Weitreichende Eingriffe gegen die Bedenken oder ohne Beteiligung des Lan­des­am­tes für Denkmalpflege und des Hei­mat­pfle­gers führten zum Verlust der "bauzeitlichen Bin­nen­glie­de­rung und der historischen Ausstattung", so die Begründung des Landesamtes. Damit war und ist die „Neue Mitte“ denkmalfrei. Gerade in Bezug auf die Neue Mitte hatte die Stadt Fürth noch kurz zuvor ihren Anspruch verkündet, "als Denkmalstadt Fürth in der Gruppe der deutschlandweiten Vorreiter für die entsprechenden stadtplanerischen Fragen mit dabei zu sein."
 
"Ur-Missverständnis"
 
Der Hinweis des Autors auf die Streichung der Gebäude von der Denkmalliste war die Grundlage für einen kurz darauf erschienenen Pressebericht. Wie bei den „Fürther Nachrichten“ - dem Lokalblatt mit faktischer Monopolstellung - in der Regel üblich, bekam die Stadt Fürth das letzte und abschließende Wort: Stadtbaurat Krauße äußerte Verständnis für die Entscheidung des Landesamtes. Auf die Frage, warum denn die Stadt Fürth überhaupt vorgegeben hatte, bei ihren Planungen den Denkmalschutz "zu beachten", ereilen den Leser denkwürdige Worte des Stadtbaurates: das – so Krauße – sei ein "Ur-Missverständnis". Die Stadt habe – so Krauße – ausdrücklich nicht festgeschrieben, dass sämtliche Denkmäler zu erhalten seien. Stattdessen habe die gewählte Formulierung signalisiert, dass Eingriffe in die Substanz vorstellbar seien (so Krauße). – Diese Darstellung des Stadtbaurates verwundert, beschloss doch der Stadtrat am 16. März 2011 ausdrücklich, dass die Einhaltung des Denk­mal­schut­zes "eine zwingende Vorgabe" für das Bauprojekt sei.
 
Die Augen musste man sich allerdings erst recht reiben, als fast einen Monat später, im August 2014, Vertreter des Investors MIB in drei angeblich "offenen Briefen" zu der Streichung ihrer Baudenkmäler von der Denkmalliste Stellung nahmen. Der Adressat der Brie­fe hätte nach allgemeinen Dafürhalten in erster Linie das Landesamtes für Denkmalpflege sein müssen. Mir wurde jedoch vom Landesamt versichert, dass nie entsprechende Briefe in München eingingen. Anscheinend gingen diese Briefe nur an die Presse.
 
Kurzes Gedächtnis zum Architektenworkshop
 
In den Schreiben beschwert sich MIB – immer nach Darstellung der Lokalpresse – in erster Linie über die Entscheidung des Landesamts für Denkmalpflege, dass diese Gebäude trotz der großen Bemühungen des Investors von der Denkmalliste genommen wurde. Zunächst versicherte der MIB-Berater Wolfgang Janowiak, dass die be­ab­sich­tig­ten Eingriffe im Rahmen "des von ihm selbst betreuten Architektenwettbewerbs" sowie im anschließenden Baugenehmigungsverfahren besprochen worden seien, und weder Vertreter des Landesamts für Denkmalpflege noch Fürths Stadtheimatpfleger hätten erklärt, dass die Denkmaleigenschaft in Gefahr geraten könne (so Janowiak).
 
In Bezug auf diesen Architektenworkshop wird auf das kurze Gedächtnis mancher spekuliert, denn es stand im entsprechenden Auslobungstext gleich auf Seite 2 unter dem Punkt "Gegenstand des Verfahrens" ganz ausdrücklich: "Die innere Struktur ist nicht Teil der Aufgabenstellung". Auch für Laien ist damit wohl leicht verständlich, dass damit die Eingriffe, die dann zum Verlust der Denkmaleigenschaft führten, nicht Gegenstand des Architektenworkshops waren. Was vielleicht Janowiaks Gedächtnis an den von ihm mehr oder minder betreuten Workshop trübte: die Vertreter des Denkmalschutzes wiesen schon während dieses Verfahrens in weiser Voraussicht darauf hin, dass "der Umgang mit der historischen Bausubstanz gesondert zu klären ist".
 
Stellungnahme des Landesamtes in der Toilette gelandet?
 
Aber das ist nicht die einzige Ungereimtheit, um es einmal zurückhaltend zu formulieren. Das Büro Weis&Volkmann schreibt in einem der offenen Briefe von "mehreren gemeinsamen Ter­mi­nen" mit dem Landesamt im Jahre 2013, bei denen man "Kompromisse" gefunden habe. Es gab solche Termine und das Landesamt ist in Bezug auf den Abbruch von Rückgebäuden und Seitenflügeln dem Investor entgegengekommen. Allerdings hat das Lan­des­amt für Denkmalpflege im Januar und April 2013 ausdrücklich auf eine schriftliche Stellungnahme verwiesen, die dann mit Schreiben vom 29. April 2013 erfolgte.
  • Zu Haus Rudolf-Breitscheid-Straße 4 wird dort zu den Wünschen von MIB (überwiegend Entkernung) folgendes ausgeführt: "Folge dieser Maßnahme wäre ein architektonisch entbeintes und seiner historischen Aussage und künstlerischen Bedeutung völlig beraubtes Bauwerk. Dagegen sprechen gewichtige Gründe des Denkmalschutzes. Die Maßnahme ist nach den Vorgaben des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes nicht erlaubnisfähig."
  • Zur Rudolf-Breitscheid-Straße 6 heißt es: "Die Bauvorstellungen des Bauherren MIB gehen von einer kompletten Entkernung des EG und des 1. OG aus… Da die denkmalgeschützte Substanz erheblich reduziert wird, wäre die Erhaltung der Denkmaleigenschaft davon abhängig, wie mit den übrigen Hausteilen (2. OG, Dach) verfahren werden soll. Eine Überprüfung auf den Fortbestand der Denkmaleigenschaft ist im Zuge der Realisierung der Maßnahme notwendig".
  • Zur Rudolf-Breitscheid-Straße 8 wird nichts gesagt, da es damals noch nicht MIB gehörte. Zur Rudolf-Breitscheid-Straße 10 heißt es: "Der Bauherr be­ab­sich­tigt die Komplettentkernung der drei Stockwerke und den Wiederaufbau in veränderter Form… Da die denkmalgeschützte Substanz erheblich reduziert wird, wäre nach dem Umbau eine Streichung aus der Denkmalliste veranlasst."
 
Damit war es für den Autor sehr verwunderlich, wenn der Investor MIB nun (Zitat) "fassungslos" ob der Streichung aus der Denkmalliste sein will. Das entsprechende Schreiben war zwar sowohl MIB wie auch der Stadt Fürth angekündigt, ging aber dann nur an die Stadt Fürth als Genehmigungsbehörde. Der Inhalt dieses wichtigen Schreibens wurde vom Baureferat nicht dem Investor MIB mitgeteilt, wie sich später herausstellte. Obwohl auch in den Amtsterminen kein Zweifel an der Haltung des Landesamts für Denkmalpflege aufkommen konnte, so gab das zumindest eine gewisse Erklärung für die "Fassungslosigkeit" von MIB sein. Der Investor hat offensichtlich das Pech, mit schlechten Beratern und unprofessionellen Partnern arbeiten zu müssen.
 
Untere Denkmalschutzbehörde mundtot gemacht
 
Der Unteren Denkmalschutzbehörde bei der Stadt Fürth wurden dann die von MIB geplanten "Maßnahmen" im Rahmen einer Begehung am 11. September 2013 noch einmal erläutert. In der Stellungnahme der Unteren Denkmalschutzbehörde vom 13. September 2013 heißt es dann: "Es wird darauf hingewiesen, dass die geplanten Umbaumaßnahmen weit außerhalb des in Fürth praktizierten gängigen Genehmigungsspektrums liegen. Seitens der Unteren Denkmalschutzbehörde kann aus fachlicher Sicht der vorgelegten Planung in dieser Form nicht zugestimmt werden." Warum die Untere Denkmalschutzbehörde letztendlich dann doch genau diese Planung genehmigte? Die Beantwortung dieser Frage ist der Phantasie des Lesers überlassen.
 
Angriff auf das Landesamt für Denkmalpflege
 
Als wenn das nicht schon alles peinlich genug wäre (aber da sind die maßgeblichen Leute in Fürth reichlich unempfindlich), so setzte man im Oktober 2014 noch eins drauf. Nun wurde in der Lokalpresse davon berichtet, dass das Landesamt "mit rekordverdächtiger Verspätung und erst nach mehrmaligem Nachhaken" auf die "Attacken" von MIB antworte. Unerwähnt blieb von der Presse wie­de­rum, dass das Landesamt überhaupt nicht an­ge­schrie­ben wurde. Das Landesamt blieb auch nach mehrfacher Rückfrage des Autors dabei: "Stellungnahmen können wir nur zu Schreiben abgeben, die direkt an uns ge­rich­tet sind… der offene Brief ist nicht bei uns ein­ge­gan­gen."
 
Die Vertreter von MIB behaupteten laut diesem Pressebericht, sie könnten angeblich "wirklich lückenlos darlegen", dass die Entkernung in den Gebäuden immer im jetzt erfolgten Ausmaß vorgesehen waren und dass "dies klar ersichtlich" gewesen sei. Die Denkmalpflege sei während des gesamten Prozesses darüber informiert worden, habe aber nie ihr Veto eingelegt. Wie zum Hohn und wider den Tatsachen (siehe oben) schließen die Vertreter von MIB, es müsse "eine grundsätzliche Diskussion über die Rolle des Denkmalschutzes" bei "derartigen Projekten" geben und darüber, "wie professionell das Behördenmanagement im konkreten Fall war".
 
Presseberichte führen zur Blamage
 
Der Autor hat die oben geschilderten Zusammenhänge zwar in kurzer Zusammenfassung an das Lokalblatt „Fürther Nachrichten“ schon im August 2014 weitergegeben, trotz ausführlicher Berichterstattung über ein angebliches „Hickhack“ im Denkmalschutz wurde dies von dem in der Regel rathauskonformen Blatt ignoriert. Als jedoch der Autor am 22. November 2014 die Zusammenhänge auf einer Internetplattform veröffentlichte, musste das Lokalblatt nachziehen.
 
Zuvor hatte der Autor den Bescheid an einen Stadtrat mit ausdrücklichem Vermerk auf Vertraulichkeit weitergegeben – die sicherste Methode, dass dieser Bescheid auf Nachfrage der Presse weitergeleitet wird, wie es dann auch geschah. Da der Redakteur offensichtlich verärgert war, dass die Information zunächst auf einer Internetplattform erschienen ist, entstand ein ungewohnt bissiger Artikel mit ebenso ungewohnt intensiven Nachfragen bei Bauträger und Baureferenten. Der Bauträger behauptete nun, er sei „im gesamten Planungs- und Bauprozess davon ausgegangen, dass die Häuser in der Rudolf-Breitscheid-Straße ihre Denkmalschutzeigenschaft behalten“. Noch dicker trug Fürths Baureferent Krauße auf: er habe den öffentlichkeitswirksamen Angriff des Unternehmens auf das Landesamt für Denkmalpflege als „sehr merkwürdig“ empfunden. „Ich war völlig platt“, so Krauße. Denn: Nicht einmal ansatzweise habe man auf Seiten der Stadt gedacht, dass die Firma „auf die formale Denkmalschutzeigenschaft“ zwingend Wert legt.
 
Zwar haben sich nun sowohl der Bauträger wie auch der Baureferent blamiert, aber dem Denkmalschutz hilft das wenig. Die Baudenkmäler sind entweder völlig eliminiert oder weitgehend entkernt.
 
 
Artikel mit weiteren Weblinks:

"Denkmalstadt" Fürth? Stadt nimmt herbe Verluste billigend in Kauf - Fotos


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