Erfolgreiches Engagement - ein Kommentar

Eingestellt von: Denkmalnetz Bayern
Eingestellt am 08.11.2019
Geändert am 20.05.2020

Erfolgreiches Engagement - ein Kommentar

Lohnt sich bürgerschaftlicher Einsatz für das bauliche Erbe? Im Fall des Münchner Mietshauses aus der späten Gründerzeit, ist diese Frage eindeutig zu bejahen! Nach der Anfrage einer Bürgerinitiative bei der zuständigen Fachbehörde, dem Landesamt für Denkmalpflege, inwieweit dem Gebäude eine Denkmaleigenschaft bescheinigt werden könne, fand man es wenige Stunden später in die Denkmalliste eingetragen: „Aktennummer: D-1-62-000-10049…Agnesstr. 48…Beschreibung: Mietshaus, viergeschossiger Eckbau mit Mansarddach, Erkern und rundbogigen Fenstern im obersten Geschoss, wohl 1912“. Nachdem die „Entmietung“ der 15 Wohnungen abgeschlossen und ein Abbruchantrag zugunsten eines Neubaus gestellt war, teilte unmittelbar danach auch der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt mit, dass ein solches Vorhaben nun nicht mehr in Frage käme. Man kann der Bürgerinitiative nicht genug gratulieren. Das Schwabinger Wohnhaus hat nun die Chance erhalten, denkmalgerecht, mitsamt seiner aus der Bauzeit überlieferten ursprünglichen Innenausstattung (Treppen, Türen, Fenster, Bodenbeläge etc.), instand gesetzt zu werden. Ein kleines Wunder?

Ja, vor allem, weil doch einiges verwunderlich bleibt. So fragt man sich zunächst, warum der Erhalt von Wohnvierteln aus der Zeit um 1900 noch immer eines bürgerschaftlichen Engagements bedarf. Es darf daran erinnert werden, dass sich bereits in den 1960er Jahren die Bürger genau für dieses, damals zunehmend vom Abbruch gefährdete „Milieu“, eingesetzt hatten. Das Europäische Denkmalschutzjahr 1975 warb dann mit einem dazu eindeutigen Plakat und dem Slogan „Haus für Haus stirbt dein Zuhause“. Nachdem die Bewohner sich für den Erhalt der Wohn- und Lebensqualitäten einsetzten, erkannten auch die Denkmalpfleger zunehmend die städtebaulichen und baukünstlerischen Qualitäten der, in den unterschiedlichsten Stilformen, gestalteten Baukultur um 1900. In der Folge wurden einzelne Gebäude dieser Epoche und auch ganze Quartiere überall in die Denkmallisten aufgenommen.

Dass die Denkmaleigenschaften, nicht immer auf den ersten Blick erkennbar waren, mag an den Fassadenveränderungen liegen. In Abneigung zum ehedem als „kitschig“ empfundenen Ornament, wurde bis in die Zeit nach 1945 gerne „purifiziert“, d. h. das Fassadendekor entfernt, übrigens auch das des heute so geschätzten Jugendstils.

Im Weiteren ist zu fragen, warum ein so dominierendes Gebäude, (zwar ebenfalls seiner ursprünglichen Fassadendetails beraubt, aber z. B. mit nicht zu übersehenden detailfreudigen Fensterkonstruktionen der Bauzeit), nie von der dafür zuständigen Denkmalfachbehörde – agierend – auf eine Denkmaleigenschaft geprüft wurde. Hinter der erneuerten Hauseingangstür wäre man in einem „modern-historisierend“ gestalteten Treppenaufgang gestanden, wie ihn etwa der nicht nur für München so wichtige Architekt und Stadtplaner Theodor Fischer hätte entwerfen können. Und immerhin liegen zum Münchner Bestand dieser Bauaufgabe ausreichende wissenschaftliche Erkenntnisse vor (vgl. Heinrich Habel, Klaus Merten, Michael Petzet u.a.: Münchner Fassaden, Bürgerhäuser des Historismus und des Jugendstils, München 1974). Schließlich erinnert man sich noch an das etwa ein Jahrzehnt alte, so hochgelobte Projekt, zur Nachqualifizierung des bayerischen Denkmalbestandes.

Vielleicht ist eine Antwort auf letztere Frage müßig, ist die Denkmalliste in Bayern nach dem Denkmalschutzgesetz doch (nur) „nachrichtlich“. Mit anderen Worten ein Gebäude mit Denkmaleigenschaften ist von sich aus, ein Baudenkmal, auch wenn es (noch) nicht in die o.g. Liste eingetragen ist. Damit die aber zuständige Behörde wenn sie - aus welchen Gründen auch immer - nicht agieren, dann doch reagieren kann, bedarf es dann  noch immer des bürgerschaftlichen Hinweises. Nur so ist es offensichtlich zu gewährleisten, dass „Haus für Haus“ und so das „Zuhause“ der alteingesessenen Bewohner eben nicht „stirbt“ und - dass Behörden sich für das allgemeine Interesse, sprich Bürger freundlich entscheiden und nicht Antragsteller freundlich.

Bernd Vollmar


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