Erinnerung: Tilmann Breuer
Der Tod von Prof. Dr. Tilmann Breuer (1931–2022) im April wurde allenfalls von einem kleinen Kreis von Fachkolleg*innen wahrgenommen. Dass eine Würdigung seiner enormen Verdienste um die Denkmalpflege durch Medien und Institutionen bislang aussteht, mag wohl auch den aktuellen Zeitläuften geschuldet sein. (Die Zeitschrift „Die Denkmalpflege“ plant für die nächste Ausgabe, Heft 2, 2022 einen ausführlichen Nachruf.)
Tilmann Breuers Name ist zunächst eng mit der Geschichte der bayerischen Denkmalpflege verbunden. Bemerkenswert genug, bearbeitete er nach dem Abschluss des Studiums der Kunstgeschichte 1957 im Auftrag des Landesamtes innerhalb von 3 Monaten das sogenannte Kurzinventar zum überlieferten Augsburger Denkmalbestand. Bis zur Festanstellung bei dieser Behörde, 1962, folgten weitere 6 solcher Inventarbände und bereits 10 Jahre später wurde der gebürtige Coburger zum Landeskonservator und zum Leiter der Abteilung „Inventarisation“, also der Denkmalerfassung, -erforschung und -bewertung ernannt. Der Bearbeitung von Inventaren, namentlich dem sogenannten Großinventar von Bamberg, blieb er, bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1996, ganz nebenbei treu.
Breuers eigentliche Bedeutung begründet sich jedoch in seinen, weit über Bayern hinaus wirksamen, nachgerade denkmalphilosophischen Leistungen zur Theorie eines ganzheitlichen Denkmalbegriffs. Deutlich wird dies allein durch die Aufnahme zweier Breuer-Abhandlungen in den von Norbert Huse, 1984 erstmals herausgegebenen Texten zur Denkmalpflege. Breuer gilt bis heute, u. a. mit seinem Begriff der „Kulturlandschaft“ als Mentor der Denkmalerfassung bzw. -bewertung und beeinflusste damit auch die bundesdeutsche Denkmalgesetzgebung der 1970er und 1990er Jahre (vgl. dazu die Würdigung zu seinem 80. Geburtstag).
„Denkmalpflege“ ist bekanntlich stets auf wissenschaftliche Grundlagen angewiesen. Für die jeweiligen Akteur*innen, angefangen von der amtlichen Denkmalerfassung bzw. Instandsetzungsberatung über die Eigentümer*innen, Planer*innen oder Handwerker*innen bis hin zum bürgerschaftlichen Engagement werden so Leitlinien (und Leitplanken) für den Umgang mit den Objekten aufgestellt. Tilmann Breuer fasste die nicht nur an Denkmalfachbehörden zu bearbeitende Grundlagenermittlung unter dem Begriff „Denkmalkunde“ zusammen. Er meinte damit die interdisziplinäre Betrachtung des weitgefassten Denkmalbestandes, der Einzelobjekte ebenso wie der Ensembles und der Kulturlandschaft. Sprich eine Betrachtung nicht mehr allein aus kunsthistorischer Sicht, sondern auch aus der Perspektive der Volkskunde, Bauforschung, Geschichts-, Rechts- und Restaurierungswissenschaften oder der Soziologie, im Weiteren der Geschichte des Städtebaus, der Technik, historischen Gärten oder der Archäologie, um nur einige Fachrichtungen anzuführen. In den von Breuer gern geführten Diskussionen um die praktische Anwendung seiner Theorien formulierte er geistreich eine handfeste Anleitung: „Denkmalkunde“ beinhalte weder (nur) die ursprüngliche Idee, noch die ursprüngliche Erscheinung des Denkmalbestandes. Das „Original“ zeige sich allein im überlieferten (Ist-)Bestand mit all seinen Veränderungen. Aufgabe der praktischen Denkmalpflege, damit aller Akteur*innen am baulichen Erbe, sei es all diese Zeitschichten mit den jeweiligen Nutzungenansprüchen bzw. wie auch immer gearteten Erhaltungsanforderungen – denkmalgerecht – in Einklang zu bringen. Mit anderen Worten der Umgang mit dem baulichen Erbe sollte für Alle in der Erinnerung an Tilmann Breuers denkmaltheoretisches Denken gesehen werden.
Eingestellt von Dr. Bernd Vollmar, Landeskonservator a.D.
Literatur:
- Michael Petzet (Hrsg.): Beiträge zur Denkmalkunde, Tilmann Breuer zum 60. Geburtstag, München 1991 (Arbeitshefte des BLfD, Nr. 56)
- Norbert Huse (Hrsg.): Denkmalpflege, Deutsche Texte aus drei Jahrhunderten, München 1984 (3. Auflage 2006)
- Hans-Rudolf Meier: Tilmann Breuer zum 80. Geburtstag, in: Denkmalpflege Informationen, Nr.150, 2011, S.68f.
- Hans-Rudolf Meier: Die kunstgeschichtlichen Werte in Tilmann Breuers Denkmal(werte)theorie, in: Die Denkmalpflege 69 (2011), H. 1, S. 11–16 (auf dem Titel dieses Heftes neben Alois Riegl, Georg Dehio und Georg Mörsch: Tilmann Breuer)
Foto: Prof. Dr. Tilmann Breuer 2015 - Foto: Dr. Dieter Martin, Bamberg
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