München, evang. Pfarrkirche St. Lukas, Verlust der ursprünglichen Raumgestaltung und Ausstattung
Die 1896 geweihte St. Lukas-Kirche gehört zu den bedeutendsten historistischen protestantischen Sakralbauten in Bayern. Die weitgehend überlieferte ursprüngliche Ausstattung und damit die Raumwirkung soll nun zugunsten eines "Event-Raumes" mit dem Segen der Denkmalpflege verändert werden.
Mit einer hochaufragenden Vierungskuppel und zwei Flankentürmen bestimmt sie die Uferpromenade an der Isar und den Stadtteil Lehel, sie wird nicht zuletzt wegen des überwältigenden Innenraums auch „protestantischer Dom“ genannt, ist aber "nur" als dritte evangelisch-lutherische Kirche in München entstanden: St. Lukas
Mit der Planung des im "Style der mittelalterlichen Baukunst" gestalteten, 1896 geweihten Zentralbaus hatte man Prof. Albert Schmidt beauftragt. Es war, nach der 1887 fertiggestellten Hauptsynagoge am Lehnbachplatz, sein zweiter monumentaler Sakralbau in der Stadt. Anders als die, auf ausdrückliches Geheiß Hitlers bereits im Juni 1938 zerstörte Synagoge, blieb St. Lukas von Kriegseinwirkung weitgehend verschont. Mehr noch, auch die entstehungszeitliche Innenausstattung, vom Fliesenornament der Bodenbeläge bis hin zum liturgischen Gerät, ist bis heute überliefert. Angesichts der, auch in Fachkreisen bis in die 1970er Jahre vorhandenen Abneigung gegen die historistische Ausstattungskunst, muss dies als eine Besonderheit bezeichnet werden. Selbst die, 1943 zu Bruch gegangenen, für den ursprünglichen, gewollt mystischen Raumeindruck so wichtigen Farbverglasungen, wurden unmittelbar nach Kriegsende wiederhergestellt.
Die Bedeutung der St. Lukas-Kirche als sakrales Gesamtkunstwerk des Historismus im ausgehenden 19. Jahrhundert, spiegelt sich nicht zuletzt in einer gemeinsamen Publikation der evangelischen Kirchengemeinde, des Landeskirchenrates und des Landesamtes für Denkmalpflege zum 100-jährigen Jubiläum wider (=Arbeitshefte des Landesamtes für Denkmalpflege, Band 88, München 1996). Im Weiteren ist der Rang dieser Kirche in der sog. Denkmaltopographie ausführlich gewürdigt (= Denkmäler in Bayern; Heinrich Habel u.A., Landeshauptstadt München, Mitte, München 2009, S. 540-543).
Umso erstaunlicher ist es nun, dass offensichtlich eine "Modernisierung" ansteht, die – offenbar im Einvernehmen mit der Denkmalpflege – den teilweisen Verlust der aus der Entstehungszeit erhaltenen Ausstattung, damit historischen Gestaltungsqualitäten und Raumwirkung beinhaltet.
In Zusammenarbeit mit der Erzdiözese München und der Evangelischen Landeskirche veranstaltete das Landesamt für Denkmalpflege Anfang November 2018 in Fürstenfeldbruck eine Tagung über "Kontinuität und Wandel - Zukunftsperspektiven für die Klöster und Kirchenbauten in Bayern". [https://www.sueddeutsche.de/kultur/kontinuitaet-und-wandel-einstuerzende-altbauten-1.4214744?reduced und https://www.sueddeutsche.de/kultur/umbaumassnahmen-zu-viele-und-zu-grosse-kirchen-1.4215189]
Bei dieser Veranstaltung lobte ein ranghoher Vertreter der Landeskirche das Entgegenkommen des ranghöchsten Vertreters des Landesamtes. Dieser habe als Preisrichter in einem von der Kirchengemeinde und dem Münchner Dekanat 2016 ausgeschriebenen Architektenwettbewerb dazu beigetragen, dass die Realisierung des 1. Preises durch ein renommiertes Stuttgarter Architekturbüro und damit die Neugestaltung des Innenraumes der St. Lukas-Kirche gewährleistet sei.
Vorgesehen ist u. A. die Umwandlung des traditionellen Sakralraums zu einem Multifunktionsraum. Um dem Zeitgeist gerecht zu werden, soll u. A. das ursprüngliche Gestühl „reduziert“ und durch eine eventtaugliche, variable Bestuhlung ersetzt werden. Natürlich gehört auch das Gestühl, dessen Wangen Ornamentschnitzereien und vollplastische Evangelistensymbole zeigen, zur Erstausstattung von 1896. Ferner sind im Vierungsgewölbe Akustik-Segel vorgesehen.
Ob der beeindruckende, überlieferte – historische – Raumeindruck mit der Eventanpassung verbessert wird, darf hinterfragt werden. Zu hoffen bleibt, dass wenigstens das "Feigenblatt der Denkmalpflege", die berühmte sog. Reversibilität berücksichtigt und das Gestühl klima- und denkmalgerecht aufbewahrt wird, damit spätere (Kirchengemeinde-)Generationen den jetzigen Zustand, ohne großen Aufwand wiederherstellen könnten.
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