München, Neue Pinakothek: Wann ist ein Baudenkmal ein Baudenkmal?

Eingestellt von: Sprecher des Denkmalnetz Bayern
Eingestellt am 17.12.2018
Geändert am 18.12.2018

München, Neue Pinakothek: Wann ist ein Baudenkmal ein Baudenkmal?

Die Führung der Denkmalliste gehört den zu Kernaufgaben des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege. Die Denkmalfachbehörde prüft u.a. auf Anregung bürgerschaftlichen Engagements die Denkmaleigenschaft eines Gebäudes und entscheidet überlicherweise unmittelbar über die Eintragung. Im Fall der Neuen Pinakothek in München soll diese Prüfung erst 2025 vonstattengehen, weil der Freistaat erst eine Instandsetzung durchführen möchte. Gibt es eine Sonderbehandlung für Gebäude in staatlichem Eigentum bei der Prüfung der Denkmaleigenschaft durch die Denkmalfachbehörde?

Wie der neue Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, Bernd Sibler, in einer Pressekonferenz am 10. Dezember 2018 mitteilte, schließt die Neue Pinakothek in München Ende 2018 ihre Pforten. Das „Kronjuwel des Freistaates Bayern“, so der Minister, wird voraussichtlich bis 2025 dem Publikum nicht zur Verfügung stehen. Der Gemäldebestand des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, der immerhin zu den bedeutendsten Sammlungen überhaupt gehört, wird bis dahin allenfalls in einer Auswahl und an einem anderen Ort zu sehen sein.

Grund für die Schließung seien notwendige Instandsetzungsarbeiten des 1981 eröffneten Museumsgebäudes. Kosten für diese Maßnahme wurden nicht beziffert, der seit längerem in Rede stehende Betrag von 80 Millionen Euro sei überholt. Der Hausherr, Generaldirektor der Staatsgemäldesammlung Bernhard Maaz, pries die Architektur der Neuen Pinakothek, in die man nicht „eingreifen“ wolle und sprach von einem „denkmalwürdigen“ Gebäudekomplex. https://www.sueddeutsche.de/muenchen/neue-pinakothek-muenchen-sanierung-1.4247090

Ähnlich hatte sich bereits zuvor 2017 der Vorsitzende des Landesdenkmalrates Thomas Goppel mit dem Hinweis auf eine „Expertenmeinung“ geäußert. Danach handele es sich bei der Neuen Pinakothek um einen der „gelungensten Museumsneubauten der Nachkriegsgeschichte“. Die Prüfung der Denkmaleigenschaft werde nach Abschluss der jetzt anstehenden Maßnahme eingeleitet.

Die Neue Pinakothek gehört, auch international betrachtet, zu den bedeutenden Zeugnissen der Bauaufgabe „Museum“ aus den 1970er Jahren und ist ein Hauptwerk des renommierten Münchner Architekten Alexander Freiherr von Branca (1919 – 2011). Branca konnte zunächst den 1966 ausgelobten Architektenwettbewerb für sich entscheiden. Nach Änderung des ursprünglichen Nutzungsprogramms wurde 1975 nach seiner Planung mit der Realisierung begonnen, die Übergabe an die Öffentlichkeit erfolgte am 28. März 1981 durch den damaligen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß. Über die funktionalen Vorzüge des Museumsbaus besteht seit jeher Einigkeit. Umstritten war anfänglich jedoch die städtebauliche Einordnung des Solitärs in die umliegende Blockrandbebauung, ferner die Architektursprache mit Zitaten historischer Gestaltungsmotive, etwa des Rundbogens. Brancas Neue Pinakothek wurde gerne mit einem postmodernen Zeitgeist etikettiert. Zur Erinnerung: Wenige Jahre später, 1984, eröffnete man in Stuttgart ein nach Plänen des englischen Architekturbüros James Stirling errichtetes Schlüsselwerk der Postmoderne. Die Staatsgalerie wurde als Museumsbau der 1980er Jahre 2016 als Kulturdenkmal nach dem Denkmalschutzgesetz Baden-Württembergs ausgewiesen.

In Bayern dagegen möchte man sich mit der Frage, ob eine Denkmalausweisung für die Münchner Neue Pinakothek in Frage käme, erst in sieben Jahren auseinandersetzen. Wohlgemerkt, trotz eingangs zitierter Einschätzung des Landesdenkmalrates, die offensichtlich auf einer Aussage der Denkmalfachbehörde beruht und die dann doch wohl potentielle Denkmalwerte voraussetzen dürfte. Ferner, trotz einer Anregung aus der engagierten Bürgerschaft aus dem Jahr 2015, für den Branca-Bau – wie üblich vorsorglich zur Wahrung denkmalpflegerischer Belange – bereits vor der ersten großen Instandsetzungsmaßnahme zumindest eine Aufnahme in die Denkmalliste zu prüfen. Bei zu erwartenden Baukosten von wohl mehr als 80 Millionen Euro ist davon auszugehen, dass Veränderungen anstehen, die zumindest baukulturelle, wenn nicht sogar denkmalpflegerische Themen im engeren Sinn betreffen.

Zunächst stellt sich dazu die Frage, warum sich das Landesamt für Denkmalpflege die fachliche Kompetenz absprechen lässt bzw. selbst abspricht? Einmal zur Prüfung der Denkmalwerte der Neuen Pinakothek im Vergleich zu anderen zeitgenössischen Museumsbauten in Bayern und zudem überregional. Der häufig geforderte zeitliche Abstand wäre als Begründung nicht geeignet, weil die Entstehung des Museums mehr als eine Generation zurückliegt, also „aus vergangener Zeit“ stammt. Zum anderen zur Beurteilung der geplanten Instandsetzungsmaßnahmen, eben aus denkmalfachlicher Sicht. Vom Fall der Neuen Pinakothek inspiriert, könnte überhaupt die Frage nach der Notwendigkeit einer denkmalfachlichen Beteiligung, im Besonderen bei der Instandsetzung bzw. Veränderung staatlicher Baudenkmäler, in den Sinn kommen. Dagegen aber stehen Art. 6 bzw. 7 des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes, wonach eine Beteiligung des Landesamtes regelmäßig vorgesehen ist und zwar für alle Bau- bzw. Bodendenkmäler, unabhängig vom Eigentümer.

Daraus ergeben sich folgende Fragen:

1) Gelten für die Unterschutzstellung staatlicher Gebäude andere Gepflogenheiten für die Denkmalausweisung als für Gebäude von nichtstaatlichen Eigentümern?

a) Wenn ja, auf welcher rechtlichen Grundlage?

b) Wenn nein, warum wird die Prüfung der Denkmaleigenschaft der Neuen Pinakothek nicht umgehend vorgenommen?

2) Gelten für den Umgang mit (auch potentiell) unter Denkmalschutz stehenden bzw. zu stellenden staatlichen Gebäuden andere Gepflogenheiten als bei Gebäuden von nichtstaatlichen Eigentümern?

a) Wenn ja, auf welcher rechtlichen Grundlage?

b) Wenn nein, warum werden bei der Instandsetzung der Neuen Pinakothek die denkpflegerischen Belange nicht frühzeitig von der Denkmalfachbehörde eingebracht?

Das Denkmalnetz Bayern wird das Staatsministerium bzw. den Landesdenkmalrat um Beantwortung der vorstehenden Fragen bitten und ggf. um die Veranlassung einer kurzfristigen Prüfung der Denkmaleigenschaft der Neuen Pinakothek in München seitens des Landesamtes, um die sonst übliche Beteiligung des denkmalfachlichen Sachverstandes im Verfahren und bei der Bauausführung zu gewährleisten.

München, Neue Pinakothek: Wann ist ein Baudenkmal ein Baudenkmal? - Fotos


Wir freuen uns über Kommentare

Bitte beachten Sie dabei unsere Netiquette.

Neuen Kommentar schreiben

a

-

Bitte addieren Sie 9 und 6.

o

Ihre E-Mail Adresse und Ihren Namen benötigen wir, um Fragen zur Veröffentlichung Ihres Kommentars zu klären. Ihre Daten werden ausschließlich in Zusammenhang mit dieser Kommentarfunktion genutzt und zu diesem Zweck in elektronischer Form gespeichert. Eine Weitergabe erfolgt nicht. Die entsprechende Datennutzung akzeptieren Sie mit dem Absenden dieses Formulars. Sie können Ihre Einwilligung jederzeit für die Zukunft per E-Mail an kontakt@denkmalnetzbayern.de widerrufen. Detaillierte Informationen zum Umgang mit Nutzerdaten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.