Münchner Altstadtfreunde fordern Erhalt der historischen Tierklinik am Englischen Garten

Eingestellt von: Altstadtfreunde München
Eingestellt am 15.10.2015
Geändert am 28.09.2017

Münchner Altstadtfreunde fordern Erhalt der historischen Tierklinik am Englischen Garten

15.10.2015: Gerade erst wurde das repräsentative Jugendstil-Treppenhaus im Hauptgebäude der tierärztlichen Fakultät an der Königinstraße einer Renovierung unterzogen. Es riecht nach frischer Farbe, teilweise hängen Kabel aus der Wand, die noch auf den Anschluss neuester Brandschutztechnik warten. Das überaus großzügige, massive und lichtdurchflutete Treppenhaus ist zweifelsohne das Schmuckstück des zwischen 1896 und 1900 unter dem königlichen Bauamtsassessor Mezger erbauten Mittelbaus hin zur Königinstraße. Es trotzte zwei Weltkriegen und besticht bis heute nicht nur durch seine gestalterische Qualität sondern auch durch die hochwertige Art der Ausführung: Der Detailreichtum des Treppengeländers mit seinen aufwendig gearbeiteten Dekoren darf als in dieser Form einzigartiges Beispiel des Jugendstils in München gesehen werden. Wie das Treppenhaus wurde und wird derzeit der gesamte Mittelbau mehreren Instandhaltungs- und Renovierungsarbeiten unterzogen. Er zählt – trotz erfolgter Versachlichungen der Nachkriegszeit – zu den letzten prägenden Bauten in diesem hochsensiblen Bereich direkt am Eingang zum Englischen Garten.

„Gebäudemaschinen“, „unspektakulär“ und „nicht überzeugend“

Trotzdem soll – wenn es nach Plänen des Wissenschaftsministeriums, der LMU und des Staatlichen Bauamtes München 2 geht - das Jugendstil-Treppenhaus, der Mittelbau und mit ihm der gesamte historische Bestand der Tierklinik am Englischen Garten der Abrissbirne zum Opfer fallen und dem „Entwicklungscampus Königinstraße“ weichen. In einem ersten Schritt wurde jetzt bereits das ehemalige „Institut für Hufkunde und Hufkrankheiten“ abgeräumt. Bis voraussichtlich 2017 wird hier in einem ersten Bauabschnitt der umstrittene Neubau des Nano-Instituts nach den Entwürfen der Berliner Architekten Kleyer, Koblitz, Letzel, Freivogel entstehen. Dessen Fassaden wurden schon im Zuge des Wettbewerbsverfahrens von der Jury als „unspektakulär“ bezeichnet, die Materialität als „nicht überzeugend“. In einer Sitzung der Stadtgestaltungskommission sprach der Leiter der Hochbauabteilung der Obersten Baubehörde im Bayerischen Innenministerium von „Gebäudemaschinen“, Architekt Christoph Sattler nannte den Baukörper „schrecklich und trivial modernistisch“. Stadtheimatpfleger Gert Goergens beklagte die fehlende Auseinandersetzung mit den Besonderheiten des Ortes.

Trotz Abrissplanung mit Millionenaufwand saniert

In den kommenden Jahren sollen dennoch weitere acht Neubauten im Stil des Nano-Instituts folgen und dafür die intakten historischen Gebäude abgerissen werden. Darunter fällt dann auch die ehemalige „Kleintierklinik“ aus dem Jahr 1902, die vom Staatlichen Bauamt München 2 selbst als „denkmalwürdig“ eingestuft und erst 2009 mit Millionenaufwand saniert wurde. Besonderer Wert wurde dabei auf den Erhalt der historischen Substanz (z.B. Treppenhaus, Terrazzo-Böden, Türen) gelegt. Außerdem ist der Bau der ehemaligen „Externen Klinik“ betroffen. Sie markiert – an der Ecke Königin-/Veterinärstraße gelegen – für Generationen von Münchnern das Entree zum Englischen Garten. Auch in diesem Gebäude haben sich wertvolle Ausstattungen erhalten. Die historischen Kappendecken mit ihren stuckierten Details und das reich verzierte Geländer im Treppenhaus wurden und werden trotz des drohenden Abrisses gerade saniert - ebenso weite Teile der Haustechnik.

Die Altstadtfreunde München setzen sich jetzt dafür ein, den schützenswerten historischen Bestand zu erhalten und in die Planung zur Neuordnung und Neubebauung des „Entwicklungscampus Königinstraße“ einzubeziehen. Auch die seltene, aus der Bauzeit stammende Einfriedung des Geländes hin zur Königinstraße und zur Veterinärstraße soll erhalten bleiben. Teile davon wurden bei den Abbrucharbeiten am „Institut für Hufkunde“ bereits zerstört. Außerdem wünschen sich die Altstadtfreunde für das denkmalgeschützte, klassizistische Portal vis-à-vis des „Milchhäusls“ eine optimierte Lösung. Das Tor ist zwar nicht vom Abriss bedroht, der Entwurf von Kleyer, Koblitz, Letzel, Freivogel gewährleistet allerdings keine stimmige An- und Einbindung. Dadurch wird nicht nur das geschützte Tor sondern auch das Denkmal Englischer Garten an dieser Stelle erheblich beeinträchtigt. Der fehlende Bezug wurde bereits vom Preisgericht im Wettbewerbsverfahren festgestellt, blieb in den weiteren Planungen bislang jedoch folgenlos.

Repräsentativ für den Wissenschaftsstandort Bayern?

Der neue „Campus Königinstraße“ (und speziell das Nano-Institut) ist zentraler Bestandteil der „Energieforschungsinitiative Bayern“. Er soll beispielhaft für ein innovatives, energetisches Gesamtkonzept und repräsentativ für den Wissenschaftsstandort Bayern sein. Aspekte der Nachhaltigkeit und die ökologischen Auswirkungen eines Abbruchs überwiegend intakter und in großen Teilen bereits sanierter Bestandsgebäude werden in dem Konzept aber nur unzureichend berücksichtigt. Selbst die geplanten Neubauten weisen offenbar Optimierungspotenziale auf: So sei zum Beispiel die Tageslichtnutzung der geplanten Neubauten „nicht optimal“, wie das Preisgericht schon im Wettbewerbsverfahren bemerkt.

Gerade im innerstädtischen Bereich wird von der LMU zudem gravierende Raumnot beklagt. Der intakte historische Mittelbau an der Königinstraße soll dennoch nicht etwa einem Neubau sondern lediglich einer Freifläche weichen, obwohl zusätzlicher Bedarf an nutzbaren Grün- und Freiflächen aufgrund der Lage am Englischen Garten eindeutig verneint wird und eine verbesserte Zugänglichkeit und Durchlässigkeit von der Königinstraße in den Englischen Garten gerade unter Beibehaltung der schützenswerten Bestandsbauten ansprechend realisiert werden könnte.

Eine Kombination aus historischem Bestand und Neubauten in zeitgenössischer Architektursprache

Mit den historischen Gebäuden und deren qualitätvoller Ausstattung kann der Freistaat auf einen gleichermaßen unverwechselbaren wie repräsentativen Bestand zurückgreifen. Mit einer überzeugenden Kombination aus diesem historischen Bestand und Neubauten in zeitgenössischer Architektursprache ließe sich, so die Altstadtfreunde, eine Brücke zwischen der über 100jährigen Universitäts-Geschichte an diesem Standort und der künftigen Nutzung schlagen. Nicht zuletzt auch aufgrund der prominenten Lage direkt am Englischen Garten kommt dem Freistaat hier eine besondere Vorbildfunktion und Verantwortung zu.

Die Altstadtfreunde haben ihre Petition zum Erhalt der historischen Gebäude der Tierklinik am Mittwoch, 14.10.2015, beim Bayerischen Landtag eingereicht.

 

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