Rettet die Erlanger Hupfla vor dem Abriss

Eingestellt von: Denkmalnetz Bayern
Eingestellt am 02.10.2018
Geändert am 10.12.2018

Rettet die Erlanger Hupfla vor dem Abriss

Abrisspläne für die historische Heil- Und PFLegeAnstalt (Hupfla)

Erlangen, Schwabachanlage 10, ehemalige "Kreisirrenanstalt" bzw. "Heil- und Pflegeanstalt"

Psychiatrische Kliniken gehören, trotz der für heutige Auffassung anfänglich mitunter unmenschlichen Behandlungsmethoden zu den sozialen und medizinischen Errungenschaften des 19. Jahrhunderts. Im jungen bayerischen Königreich wurden sowohl ehemalige Klöster zu „Kreisirrenanstalten“ umgenutzt als auch Neubauanlagen errichtet. In den 1940er Jahren waren die, seit dem frühen 20. Jahrhundert sog. Heil- und Pflegeanstalten (im Volksmund „Hupfla“), auch Täterorte der perfiderweise sogenannten Euthanasie als Teil des nationalsozialistischen Rassenwahns.

Historische psychiatrische Klinikbauten sind somit bauliche Zeugnisse der Sozial- und Medizingeschichte, wie auch Mahn- und Erinnerungsorte für die Opfer des Nationalsozialismus, deren Erhalt im (besonderen) öffentlichen Interesse liegen muss.

Zu den frühen baulichen Zeugnissen der wechsel- wie unheilvollen Geschichte psychiatrischer Kliniken gehört die 1846 eröffnete Anlage in Erlangen. Ursprünglich als kreuzförmige Bauform gestaltet, ist ein bedeutender historischer Restbestand aus der Zeit König Ludwig I. überliefert. Der unter Denkmalschutz stehende, über 160 m lange verbliebene Nordflügel, ein zwei- bzw. dreigeschossiger Sandsteinquaderbau mit Walm- und Satteldächern, Mittel- und Seitenrisaliten sowie zwei Eckpavillons, soll nun (teil-)abgebrochen werden.

Das Denkmalnetz Bayern schließt sich dem Aufruf der Heimatpfleger an und setzt sich für den vollständigen Erhalt des (in Nutzung befindlichen) Baudenkmals, nicht zuletzt als Mahn- und Erinnerungsort für die Greueltaten des Nationalsozialismus ein.

s.a. Denkmalatlas: http://geoportal.bayern.de/bayernatlas-klassik/in6CPq2lu51P-QQjDmLXuQgNpOJAB0q41OOkX6gR9RuopLktQi6jAC1Q1mDHNTVLzQ_hcTk0uj6GYc2EzMMEZF5GEjfIWZkxVbEOAYxxClEPwXqIR4efJXA_lOcxxDC-/in6a0/41O31/xVbd3

Mit 166 m  Länge soll ein massiver und intakter Baukörper aus der Gründerzeit (1879), der sich an florentinische Renaissancepalais orientiert, einem bevorzugten Baustil Kg. Ludwig I, einem Neubau des Max-Planck-Institutes weichen, obwohl er als Baudenkmal eingetragen ist!

Die Geschichte der ersten überregionalen Klinik (damals noch Kreisirrenanstalt) für Geisteskranke in Bayern, beginnt 1834–39 mit den Vorplanungen. Die Einweihung erfolgte 1846, gebaut als panopische (aus dem griechischen: pan = all, optisch=sehen), kreuzförmige Anlage, eine für britische Gefängnisse entwickelte Idee, die eine zentrale Überwachung der „Insassen“ ermöglichte und so Kosten gespart wurden. Die rasch steigenden Patientenzahlen erforderten schnell zahlreiche An- und Neubauten, so dass das architektonische Konzept bereits bei der Eröffnung durchbrochen war.

Prof. Dr. Friedrich Wilhelm Hagen, 1859–1887 Klinikdirektor der Kreisirrenanstalt und Wegbereiter der klinischen Psychiatrie im 19. Jhdt., war neben Bernhard von Gudden einer der 4 Gutachter von Kg. Ludwig II.

Die Kreisirrenanstalt wird ca. 1910 in Heil- und Pflegeanstalt Erlangen umbenannt. Bis in das 20. Jhdt. hinein hatte die Einweisung in eine „Irrenanstalt“ für den Betroffenen nicht selten einen lebenslangen Anstaltsaufenthalt zur Folge. Zur Ruhigstellung verwendete man in Erlangen anfangs Zwangsjacken, Opium und kalte Duschen, später Dauerbäder in lauwarmem Wasser.  

Mit Heilen und Pflegen hatte diese Anstalt gerade in der Zeit des Nationalsozialismus wenig zu tun. Hinter den Sandsteinmauern schrieb man ein dunkles Kapitel der Medizingeschichte. Die Anstalt wird zum „Tatort“. Das Phänomen „Geisteskrankheit“ sollte durch „Ausmerzung“ der Kranken beseitigt werden. In der Anstalt wurden Hunderte von Patienten zwangssterilisiert, etwa 1000 fielen der „Euthanasie“ zum Opfer. Viele Weitere wurden auf sog. „Hungerstationen“ getötet.

Ein 1949, kurz nach dem 2. Weltkrieg eingeleitetes Ermittlungsverfahren, wurde eingestellt.

Denn nicht nur die Nationalsozialisten missbrauchten die Medizin, sondern die Medizin brauchte auch das Regime. Wie sonst hätte man Versuche in diesem Ausmaß an Menschen durchführen können? Die Hupfla  ist für die Erlanger Medizingeschichte von großer Bedeutung. Geschichte muss aufklären und vermitteln, damit die nachfolgenden Generationen daraus lernen. Ein Tatort wie dieser darf nicht einfach abgerissen werden, um zu vergessen.

Wie kann es sein, dass sich ein Bauherr hier Sonderrechte herausnehmen möchte? Ein solcher Ort muss nicht nur als Baudenkmal erhalten werden, sondern muss auch erhalten werden, um uns zu ermahnen, den Opfern dieser Anstalt zu gedenken und den Tatort als Mahnmal für die Zukunft zu gestalten.

Zur Nutzung der Hupfla gibt es viele Ansätze. Bereits jetzt sind Labore integriert; eine Nutzung für Wohn- oder Verwaltungszwecken ist möglich bis hin zu einer musealen Nutzung.

Stattdessen soll der letzte noch bestehende Trakt dieses Großkomplexes nun abgerissen werden. So darf Denkmalpflege nicht aussehen! Hier an diesem Ort ist der Kontrast von moderner und historischer Medizin hautnah erlebbar und auch „bebaut nutzbar“!

(Quelle: Erlanger Stadtlexikon; Friederich, von Haller, Jakob; 2002; Verlag Tümmels, Nürnberg)


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