Stellungnahme des Denkmalnetz Bayern zum Änderungsgesetz zum Bayerischen Denkmalschutzgesetz

Eingestellt von: Denkmalnetz Bayern
Eingestellt am 22.10.2022
Geändert am 07.08.2023

Stellungnahme des Denkmalnetz Bayern zum Änderungsgesetz zum Bayerischen Denkmalschutzgesetz

Das Denkmalnetz Bayern nimmt die Möglichkeit wahr, zu den beabsichtigen Neuerungen im Bayerischen Denkmalschutzgesetz eine Stellungnahme abzugeben.
Wir nehmen Bezug auf unsere E-Mail vom 6.10.2022 und verweisen nochmals auf unser Schreiben an Staatsminister Blume vom 21.9.2022.
Das Denkmalnetz Bayern ist ein offenes Bündnis von über 500 Initiativen, interessierten Bürgerinnen und Bürgern sowie Fachleuten und engagiert sich für den Erhalt des baulichen Erbes wie für die gebaute Umwelt insgesamt.

Als gemäß § 3 UmwRG anerkannte Vereinigung setzen wir uns mit allem Nachdruck gegen den mit E-mail vom 26.9.2022 vorgelegten Gesetzentwurf der Staatsregierung zum Änderungsgesetz des BayDSchG ein, hier gegen die Änderungen zu Art. 6.

Denkmalschutz und Klimaschutz sind keine Gegensätze, wie sie im Gesetzentwurf erzeugt werden, sondern gehören zusammen, so wie es die bisherige, im BayDSchG verankerte Praxis bewiesen hat.

1. Wir erheben verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Ergänzung des Satz 3 in Art. 6 Abs. 2 BayDSchG:

Mit Art. 141 Abs. 2 der Bayerischen Verfassung ist der Schutz und die Pflege der Denkmäler zum Staatsziel erhoben. Die konkrete Ausformulierung dieser staatlichen Aufgabe zeugt davon, welch hohe Bedeutung diesem Staatsziel zukommt. Mit dem Änderungsgesetz soll Satz 3 in Art 6 Abs. 2 BayDSchG ergänzt werden, so dass den erneuerbaren Energien zukünftig der Vorrang vor dem Denkmalschutz gegeben wird, und dies obwohl die erneuerbaren Energien – im Gegensatz zum Denkmalschutz – nicht in der Bayerischen Verfassung verankert sind. Konkurrierend zum Denkmalschutz wird dem Staat hingegen in Art. 141 Satz 1 der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, mithin der Klimaschutz, aufgegeben und konkret in Satz 4 der sparsame Umgang mit Energie.

1.1. Der beabsichtigte Vorrang der erneuerbaren Energien vor dem Denkmalschutz widerspricht der Bayerischen Verfassung.

Die Belange des Klimaschutzes, mitsamt der Errichtung von Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Energien oder der energetischen Verbesserung von Baudenkmälern,
sind im Gesetz – wie bislang und ohne von vornherein festgelegten Vorrang – im Rahmen eines Berücksichtigungsgebotes einzubringen.

Seit jeher gab es Einzelfälle, in denen die Staatsziele Denkmalschutz und Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, mithin Klimaschutz, in Widerstreit zueinander gerieten. In diesen Einzelfällen wurden bisher die konkurrierenden Ziele gegeneinander abgewogen, um die Verhältnismäßigkeit der Interessen zu wahren.

1.2. Das System der Einzelfallprüfung hat sich vielfach bewährt.

Die für die denkmalfachliche Einzelfallprüfung zuständige Fachbehörde ist das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege (BLfD).
Dem BLfD muss weiterhin uneingeschränkt die Möglichkeit einer denkmalfachlichen Einzelfallprüfung bei jeglichen Veränderungen an oder in der Nähe von Denkmälern
eingeräumt werden.

2. Wir erheben verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Anfügung des Abs. 5 in Art. 6 BayDSchG:

Grundsätzlich sollen Windenergieanlagen im Umfeld aller Denkmäler, auch der landschaftsprägenden Denkmäler erlaubt sein, mit Ausnahme von etwa 100 „besonders landschaftsprägenden Denkmälern“. (s. C. Besonderer Teil – Zu den einzelnen Vorschriften, S. 14)

Im BayDSchG sind „besonders landschaftsprägenden Denkmäler“ nicht definiert. Das Änderungsgesetz führt damit einen Begriff ein, der rechtlich nicht existiert.
Dies widerspricht dem in GG Art. 20 Abs. 3 verankerten Rechtsstaatsprinzip.

Die Einschränkung der rund 1700 landschaftsprägenden Denkmäler in Bayern auf etwa 100 „besonders landschaftsprägende Denkmäler“ ist willkürlich. Der Unterschied zwischen landschaftsprägenden und „besonders landschaftsprägenden“ Denkmälern ist im DSchG nicht vorgesehen und kommt einer Priorisierung gleich.

Diese willkürliche Einschränkung wirkt sich zudem auf das in GG Art. 14 verbriefte Eigentumsrecht aus. Einschlägig hat das Bundesverwaltungsgericht im Jahre 2009 anerkannt, dass das Denkmaleigentum vor Beeinträchtigungen im Umfeld geschützt wird. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat dies im Jahre 2015 auch für Windenergieanlagen anerkannt.

Das Eigentumsrecht wird mit der beabsichtigten Änderung des BayDSchG insofern unzulässig eingeschränkt, als es die Vorschriften zum Schutz vor Beeinträchtigungen im Umfeld auf 100 „besonders landschaftsprägende Denkmäler“ begrenzt.

Art. 141 Abs. 1 Satz 4 der Bayerischen Verfassung gebietet, kennzeichnende Orts- und Landschaftsbilder zu schonen und zu erhalten.
Die Priorisierung von 100 „besonders landschaftsprägende Denkmäler“ verstößt auch gegen dieses Staatsziel.

3. Bedenkenswertes, Vorschläge, Forderungen

Wir bezweifeln die Wirkung des Änderungsgesetzes zum BayDSchG auf den Klimaschutz:

Durch die beabsichtigten Änderungen wären Denkmäler in Bayern in gravierendem Maße betroffen, die Wirkung auf den Klimaschutz vergleichsweise gering. Ca.1,3 Prozent der Gebäude stehen unter Denkmalschutz, 2,5 Prozent befinden sich in Ensembles und 5 Prozent im relevanten Nähebereich. Aus diesem geringen Anteil am bayerischen Baubestand geht klar hervor, dass Baudenkmäler keinen messbaren Beitrag zum Klimaschutz leisten können. Umso weniger ist der massive Eingriff in die Belange des Denkmalschutzes zugunsten der erneuerbaren Energien gerechtfertigt.
In jedem bestehenden Gebäude ist Energie, sogenannte Graue Energie, gebunden. Oft seit mehr als hundert Jahren. Damit leisten alte Gebäude, ähnlich wie Wälder, einen enorm wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Außerdem leisten Baudenkmäler einen wichtigen Beitrag zur Identität eines jeden Ortes, jeder Kommune. Diese Beiträge sollten Denkmaleigentümern angerechnet werden. Z.B. indem diese Faktoren in die Gesamtbilanz einer Kommune einfließen und auch auf Bürgerenergieanlagen angerechnet werden.

Wir schlagen vor, nicht das Gesetz, sondern allenfalls die Vollzugsanweisungen anzupassen:

Konstruktive Konzepte für denkmalgeschützte Gebäude, die als Leitlinien bei der Einzelfallabwägung dienen, sind hilfreicher als eine Gesetzesänderung. Es gibt bereits energietechnisch innovative und mit dem Denkmalschutz vereinbare Lösungen für den konkreten Einzelfall.

Der hohe Rang der erneuerbaren Energien ist in § 2 EEG hinreichend verankert.
Es bedarf keiner verfassungswidrigen Benachteiligung des DSchG.

Wir wissen, dass die erneuerbaren Energien schnellstmöglich ausgebaut werden müssen. Die geplanten Änderungen verhelfen unseren Denkmälern nicht zu besserem Schutz. Durch diese erhöht sich vielmehr der politische Druck auf kommunaler Ebene. Bisher waren gerade die nicht „besonderen“ Denkmäler geschützt, die doch wichtige Zeugen einer nachhaltigen Lebensweise sind.

Wir treten ein für den Erhalt des Denkmalschutzes:
In jeder sorgfältigen Einzelfallabwägung sollten sich auch in Zukunft sowohl energetisch als auch denkmalpflegerisch angemessene, langfristig bessere Lösungen finden lassen, als bei einseitiger Missachtung des Denkmalschutzes und damit unseres Kulturgutes.

Wir warnen davor, den ohnehin nur noch geringen Anteil denkmalgeschützter Gebäude und Ensembles zu opfern, um von jahrzehntelangen Versäumnissen im Umweltschutz abzulenken.
Wir warnen vor bloßer Symbolpolitik, mit der ein plakatives, aber für den Klimaschutz kaum wirksames Exempel statuiert werden würde.

Wir fordern von den politischen Vertretern ein klares Bekenntnis zu Pflege und Erhalt des baukulturellen Erbes.

Gesetzesentwurf ansehen


Unsere weiteren Stellungnahmen und Kommentare zur Gesetzesänderung


Wir freuen uns über Kommentare

Bitte beachten Sie dabei unsere Netiquette.

Kommentar von Robert Englbrecht |

Hallo in die Runde!
...die Hoffnung stirbt zuletzt - gerade auch im Bezug auf Stein gewordene Kultur...

1000Dank für Ihr Engagement!

Grüsse aus Bach an der Donau
Robert Englbrecht

Kommentar von Jurahausverein e.V. |

Der Jurahausverein e.V. mit seinen rund 750 Mitgliedern unterstützt die Position des Denkmalnetzes. Die geplante Änderung des DSchG widerspricht der Bay. Verfassung und würde den Denkmalschutz erheblich schwächen. Notwendig angesichts zahlreicher Abbrüche denkmalgeschützter Gebäude ist vielmehr eine Stärkung der staatlichen Denkmalpflege durch bessere finanzielle und personelle Ausstattung.

Kommentar von Anja Behringer |

Glückwunsch ans Denkmalnetz - das ist ja mal glasklar formuliert und lässt an Deutlichkeit für längere Zeit nichts zu wünschen übrig.
Hoffentlich lesen es auch die Gesetzänderer so.

Kommentar von Dr. Karl Hofmann |

Die Bedenken des Denkmalnetzes gegen die geplante Novelle zum DSchG sind in vollem Umfang gerechtfertigt. Die vordergründige Symbolpolitik passt in die schon in der Vergangenheit feststellbare politische Tendenz, kulturelle Werte nicht ernst zu nehmen. Die Belange von Denkmalschutz und Energienutzung sind im Einzelfall gleichwertig abzuwägen. Mir ist in 50 Jahren Kommunalpolitik kein Fall bekannt geworden, in dem es nicht gelungen wäre, brauchbare Lösungen zu finden. Zu erinnern ist hier an die Satzung der Gemeinde Oberhaching, die Leitlinien für die Gestaltung von Solaranlagen aufzeigt.

Kommentar von Birgit Sasowski |

Der hochwertigen Bauweise von Baudenkmälern sollte endlich Anerkennung in Sachen Klimaschutz zuteil werden. Ein Baudenkmal mit 50 cm bis 100 cm Mauerstärke verfügt erwiesenermaßen über die beste Wärmedämmung. Beton mit Wärmedämmsystemen kann dies niemals erreichen. Ebenso sei auf die Lebensdauer eines historischen Gebäudes hingewiesen. Hier sind mehrere hunderte Jahre keine Seltenheit, während die Lebensdauer eines Neubaus in Beton auf ca. 50 Jahre geschätzt wird. Der historische Bau ist demzufolge in Sachen Klimaschutz an Nachhaltigkeit und Energieeffizienz außer Konkurrenz. Ich wohne selbst in einem historischen Altbau unter Denkmalschutz und habe die niedrigsten Heizkosten im Vergleich zu vielen anderen neueren Gebäuden. Das sollte gewürdigt werden und auch in den Gesetzen Niederschlag finden.

Kommentar von Wimmer Herbert |

Hallo,
meiner Meinung muß sich dahingehend was ändern, daß die erneuerbaren Energien auch auf u an, u. in der Nähe von Denkmälern angebracht werden können, Denkmaleigentümer können somit Graue Energie u. Grüne Energie kombinieren, ich gehe auch davon aus, daß die meisten Denkmaleigentümer ihr Anwesen nicht verschandeln, eher wollen sie die Nachhaltigkeit noch mehr verwirklichen, auf jeden Fall bin ich der Meinung, daß es auch eine Veränderung bei Denkmälern geben sollte, denn es gibt auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien gute Kompromisse u. das Denkmalamt ist da viel zu oft engstirnig, nicht kooperativ oder einfühlsam um den Bauherrn u. Baufrauen entgegen zukommen
in diesem Sinne für mehr Kreativität, u. Loslösung allzu starrer Dogmen, Hauptsache das Denkmal wird nicht verfallen, sondern hat mit erneuerbaren Energien eher eine Zukunft,
Gruß Herbert

Kommentar von Ursula Beyer |

Ich unterstütze die Argumentation von Denkmalnetz Bayern voll und ganz

Kommentar von Isabell Ebner |

(Hier mal ein Lob zur Motivierung.)
Sehr gut, echt toll formuliert!
Weiter so!

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Was ist die Summe aus 9 und 3?

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