Ungewisse Zukunft: Kloster Wessobrunn soll verkauft werden – Landeshistoriker plädiert für Stiftung
Zu wenige Schwestern, zu hohe Unterhaltskosten – das sind die Gründe für die Tutzinger Missions-Benediktinerinnen, das Kloster Wessobrunn im oberbayerischen Pfaffenwinkel aufzugeben und zu verkaufen. Im Gespräch ist der Orden mit einem Interessenten, der in den altehrwürdigen Mauern eine Klinik für psychosomatische Erkrankungen einrichten möchte. Das außergewöhnliche Denkmal geht einer ungewissen Zukunft entgegen.
Die Idee von Bürgermeister Helmut Dinter, im Kloster eine Akademie für Stuckateure, Kirchenmaler und Architekten zu schaffen, verlief bislang im Sande. Ein Gespräch Dinters mit Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch brachte kein Ergebnis.
Angesichts der besonderen künstlerischen, kulturellen und religiösen Bedeutung der Klosteranlage soll der neue Besitzer nach den Vorstellungen des Ordens das Klosterareal und das religiöse Erbe erhalten und den öffentlichen Zugang zu besonderen Gebäudeteilen gewährleisten.
Der Überlieferung zufolge geht die Gründung auf Herzog Tassilo III. im Jahr 753 zurück. Die Missions-Benediktinerinnen haben sich kurz vor dem Ersten Weltkrieg in Wessobrunn niedergelassen. Auch wenn nach der Säkularisation große Teile der Anlage zerstört wurden, ist der Klosterhof immer noch ein eindrucksvolles geschichtliches Zeugnis. Bei Führungen können der Fürsten- und der Prälatentrakt mit dem Tassilosaal besichtigt werden. Der qualitätvolle Stuck stammt von der Wessobrunner Stukkatorenschule, durch die der Ort in der Barockzeit europaweit bekannt wurde.
„Das Kloster ist der Identifikationspunkt im Ort. Es wäre eine Katastrophe, wenn das Gebäude nicht mehr so zur Verfügung stehen würde wie heute“, sagte Bürgermeister Dinter dem Münchner Merkur. Er bezeichnet es als „Juwel der Gemeinde“. Auch der Landeshistoriker und emeritierte Professor Pankraz Fried sorgt sich um die Klosteranlage. „Wessobrunn ist Erinnerungsort der bayerischen Geschichte“ sagt er. Fried fürchtet, dass es „zu mehr und weniger größeren Veränderungen in der Denkmalsubstanz“ kommen werde. Er plädiert dafür, die Erinnerung an Kloster und Kultur Wessobrunns in einem „Barock- und Klostermuseum Wessobrunn“ wach zu halten.
Landeshistoriker Fried appelliert an den Orden, das Kloster an eine Stiftung zu übergeben. „Die Erinnerung an die Klosterfrauen würde auf diese Weise für die Zukunft wach gehalten werden“. Träger der Stiftung sollten der Freistaat, der Bezirk Oberbayern, der Landkreis Weilheim-Schongau, die Gemeinde Wessobrunn, die Pfarrei Wessobrunn, der Tourismus-Verband Pfaffenwinkel und nicht zuletzt der Verein Wessofontanum sein. Mit dem Barockmuseum lasse sich die Idee einer „Barockakademie“ für Architekten, Restauratoren und Historiker verbinden.
Auch vonseiten der Politik werden Sorgen geäußert. So hat der Landtagsabgeordnete Florian Streibl bereits Ministerpräsident Horst Seehofer aufgefordert, mit den Verantwortlichen vor Ort und dem Orden der Missions-Benediktinerinnen Gespräche zu führen, wie die Klosteranlage der Öffentlichkeit erhalten und sinnvoll genutzt werden könne. „Ich warne davor, dass unsere Klosterlandschaft nun einer zweiten Säkularisation zum Opfer fällt. Es wäre ein fatales Zeichen, wenn Wessobrunn nun der erste klösterliche Domino-Stein wäre, der zu fallen beginnt“, so Streibl.
Hoffnung setzen die Freunde der Klosteranlage auf die örtliche Pfarrpfründestiftung. Sie ist so etwas wie das Zünglein an der Wage, denn sie besitzt den Pfarrhof Wessobrunn im Ostflügel der Anlage. Der Klinikinvestor möchte ihn miterwerben. Die Stiftung allerdings sträubt sich gegen den Verkauf.
Am Freitag, 27. Juli 2012, wird der Klosterverkauf Thema auf der Wessobrunner Bürgerversammlung in der Mehrzweckhalle. Zu Gast sein wird Priorin Schwester Hildegard.
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